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Altreifenrecycling muss eine verbindliche Grundlage erhalten

In einer Zeit, in der viel von Recycling und Kreislaufwirtschaft die Rede ist, steckt das Reifenrecycling in großen Schwierigkeiten, wie auf der Mitgliederversammlung des bvse-Fachverbandes Recycling von Reifen und Gummi kürzlich in Bonn deutlich wurde.

Mit mehreren großen Problemen müssen sich die Branchenunternehmen derzeit auseinandersetzen. So stellen die Fachbetriebe fest, dass immer weniger Reifen, die sich für eine Weiterverwendung oder Runderneuerung eignen würden, in den Sammelfraktionen ankommen. Deshalb müsse sichergestellt werden, dass Reifen ordnungsgemäß gesammelt und sortiert werden. Nur dann können sie den etablierten hochwertigen Verwertungswegen als Input zur Verfügung stehen und mit zur künftigen Rohstoffsicherung beitragen. Es müsse diskutiert werden, wie eine verbindliche Grundlage geschaffen werden könne. Das könnte beispielsweise eine gesetzliche Verordnung oder auch eine freiwillige Selbstverpflichtung sein.

Thematisiert wurde in der Mitgliederversammlung auch, dass die Qualität der Reifen, die sich fürs Recycling eignen, immer mehr abnehme. „In unserer Sortieranlage müssen wir immer mehr Altreifen aussondern, die sich per se nicht mehr recyceln lassen. Insbesondere betrifft das sogenannte Seal- und Silent-Reifen. Grundsätzlich kann man feststellen, dass in den letzten Jahren der Anteil der Altreifen, die weiterverwendet, runderneuert oder recycelt werden können, kontinuierlich kleiner geworden ist“, bedauerte Alexander Prokein, operativer Geschäftsführer von Estato, einem Full-Service Provider für die Werkstattentsorgung, eine 100-prozentige Tochtergesellschaft von ATU.

„Die Reifenhersteller bringen Produkte in den Markt, die nicht recyclingfähig sind“

In der Diskussion wurde deutlich, dass dies zum einen daran liege, dass immer mehr Neureifen, speziell aus China, in Deutschland verkauft werden, die umweltgefährdende Bestandteile beinhalten, die ein Recycling nach der Gebrauchsphase ausschließen. „Diese Art Neureifen dürfen erst gar nicht nach Europa gelangen, weil sie den rechtlichen Bestimmungen der Europäischen Union nicht entsprechen. Die Einfuhrkontrollen müssen hier deutlich verbessert werden“, so die Forderung der bvse-Mitgliedsunternehmen.

Aber auch die deutschen und europäischen Reifenhersteller haben keine weiße Weste. Die Reifenindustrie verwendet nach wie vor hochbelastete Ruße für die Herstellung von Reifen und gefährdet so massiv das Altreifenrecycling. Das Problem: Die Ruße sind mit giftigen Polyzyklischen Aromatischen Kohlenwasserstoffen, kurz PAK, so sehr belastet, dass die vorgegebenen Grenzwerte in Recyclingprodukten immer wieder überschritten werden.

bvse-Vizepräsident und Fachverbandsvorsitzender Bernd Franken kann dafür wenig Verständnis aufbringen, denn auf dem Markt seien durchaus PAK-freie Ruße verfügbar. „Da die guten Ruße jedoch teurer sind als die PAK-Ruße, greifen die Hersteller lieber zur billigeren Variante“, erklärte Bernd Franken. Das Fazit von bvse-Referent Dr. Thomas Probst ist ernüchternd: „Die Reifenhersteller bringen Produkte in den Markt, die nicht recyclingfähig sind. Das hat mit Kreislaufwirtschaft und Nachhaltigkeit nichts zu tun.“

Konkurrenzdruck durch billige Neuware aus dem asiatischen Raum

Immer mehr lasse zudem die Qualität der Altreifen-Sammlung zu wünschen übrig. Durch den Eintrag von Verschmutzungen, wie beispielsweise Verpackungsabfälle aus Aluminium oder Kunststoffen in den Sammelcontainern, werde das Recycling der Altreifen mitunter erheblich beeinträchtigt, sogar bis hin zu Anlagenausfällen, berichteten Recycler.

Aber nicht nur die Input-Seite sorgt für Sorgenfalten, sondern auch die Vermarktung. Runderneuerte Reifen seien beispielsweise einem immer stärkeren Konkurrenzdruck durch billige Neuware aus dem asiatischen Raum ausgesetzt und werden von den Reifenhändlern deshalb immer öfter ausgelistet. Ein weiteres Beispiel: Aus Altreifen gewonnene Gummirezyklate werden kaum in Asphalt eingesetzt. „Das ist völlig unverständlich, die Vorteile, wie Langlebigkeit, Nachhaltigkeit, bessere Haftung und damit geringerer Bremsweg und natürlich eine deutlich geringere Lärmentwicklung, liegen doch auf der Hand“, wurde in der Mitgliederversammlung betont.

Die Probleme sind so vielfältig, dass sie nicht nur auf nationaler Ebene behandelt werden können

In der Diskussion wurde jedoch sehr schnell deutlich, dass gerade diese Vorteile für die Straßenbauindustrie nicht attraktiv sind. Denn vielfach verdienen die Straßenbauunternehmen weniger am Bau neuer Straßen, da es hier einen harten und transparenten Preiswettbewerb gibt, sondern vor allem im Bereich der Unterhaltungsarbeiten. „In den USA und Kanada wurde dieses Problem dadurch gelöst, dass der Einsatz von gummimodifiziertem Asphalt im Straßenbau vorgeschrieben ist“, berichtete Hubert Vietoris von der AGWR GmbH.

Die Probleme des Reifenrecyclings sind so vielfältig, dass sie nicht nur auf nationaler Ebene behandelt werden können. Deshalb hat der bvse-Fachverbandsvorstand aus seinen Reihen Dr. Susanne Madelung zur Mitarbeit in die EuRIC Mechanical Tyres Recycling Branch entsandt. Themen, wie die Abfallverbringungsverordnung, End of Waste auch für Altreifen oder das Lösen der Zielkonflikte zwischen Chemikalienrecht und Kreislaufwirtschaft stehen in Brüssel auf der EuRIC-Prioritätenliste, wie sie zu berichten wusste.

Ähnlich wie der bvse für Deutschland, fordert auch EuRIC für die Europäische Union ebenfalls eine Altreifen-Regelung für Sammlung, Sortierung und das Recycling. bvse-Vizepräsident Bernd Franken machte abschließend deutlich, dass man sich hier stark inhaltlich einbringen werde und kündigte ein Positionspapier des Fachverbandes Recycling von Reifen und Gummi in der ersten Hälfte des neuen Jahres an.

Quelle: bvse

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