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Phosphor während der Klärschlammverbrennung zurückgewinnen

Testanlage am ZSW erfolgreich in Betrieb gegangen.

Phosphor ist ein wichtiger Bestandteil von Düngemitteln, wird aber auch in Waschmitteln oder Lebensmittelzusatzstoffen eingesetzt. Gewonnen wird er aus Phosphatgestein, dessen Vorkommen begrenzt sind. Der Rohstoff lässt sich jedoch aus Klärschlamm rückgewinnen. Das Problem: Die bisherigen Recyclingverfahren sind umständlich und teuer. Das Zentrum für Sonnenenergie- und Wasserstoff-Forschung Baden-Württemberg (ZSW) will dies nun in einem dreijährigen Forschungsprojekt ändern: Die Forschenden entwickeln derzeit ein Verfahren, das Phosphor bereits während der Verbrennung des Klärschlammes extrahiert. Eine Testanlage ist seit Frühjahr 2019 erfolgreich in Betrieb. Die wirtschaftlichen Aussichten des Phosphorrecyclings sind interessant: Ab 2029 wird die Rückgewinnung aus Klärschlämmen in Deutschland Pflicht für alle großen Kläranlagen.

Phosphor – in Form von Phosphat – ist ein zentraler Bestandteil aller Lebewesen. Über die Böden gelangt er in Pflanzen, Tiere und Menschen. Nachschub für die Ackerböden erfolgt meist über Düngemittel. Das Problem: Sie werden aus mineralischen Phosphor-Ressourcen hergestellt, die endlich, nicht erneuerbar und zunehmend verunreinigt sind, etwa mit Cadmium und Uran. Der größte Teil der Vorkommen liegt zudem in nur fünf Ländern, die meisten davon in Afrika. Der Abbau geht mit Umweltverschmutzung und hohem Energieeinsatz einher. Bislang ist die EU auf Importe des kritischen Rohstoffes angewiesen. Das unersetzliche Element ist ein nicht zu unterschätzender Wirtschaftsfaktor, zumal Phosphor auch für andere Produkte genutzt wird, etwa für Waschmittel.

Aus dem Klärwerk anstatt dem Ausland

Dabei gibt es schon lange eine weitere Quelle von Phosphor: Klärschlamm aus Kläranlagen. Hier landet der Stoff als Phosphat aus dem Abwasser von Haushalten und Unternehmen. Bis zu 50 Prozent des Bedarfs hierzulande könnte durch das Recycling von Klärschlämmen rückgewonnen werden, sagen Experten. Aktuell wird phosphorhaltiger Klärschlamm indes noch verbrannt und die Asche etwa in Deponien und Bergbauminen entsorgt oder bei der Zementherstellung beigemischt. Dabei geht ein Rohstoff verloren, der eigentlich dringend benötigt wird.

Seit 15 bis 20 Jahren werden Recyclingverfahren entwickelt. Nasschemische Verfahren, bei denen der Phosphor aus der Kläranlage herausgeholt wird, konkurrieren mit Klärschlammverbrennungen. Der Vorteil bei der Verbrennung: Sie ist etabliert, Wirbelschichtreaktoren zur Verbrennung laufen seit Jahrzehnten an großen Kläranlagen. Die produzierte Asche ist frei von Schadstoffen, sodass Verfahren für eine Extraktion des Phosphors aus der Asche entwickelt werden. Das ZSW setzt jedoch einen Schritt vorher an und will die Extraktion bereits bei dem Verbrennungsvorgang vornehmen. Funktioniert das Konzept, könnten bestehende Klärschlammverbrennungsanlagen mit der neuen Technologie nachgerüstet werden.

Das Verfahren wird derzeit an einem Teststand im Stuttgarter ZSW-Labor erprobt und weiter verbessert: Mit Hilfe eines kalziumhaltigen Materials soll der Phosphor bereits im Verbrennungsschritt als Kalziumphosphat gebunden werden. Der reaktive Kalkstein hat sich sowohl im Labor als auch im technischen Maßstab als ausreichend abriebfest erwiesen und stellt somit ein wirtschaftliches, ungiftiges und lokal verfügbares Betriebsmittel dar. Mechanische Stöße der Partikel untereinander und mit der Reaktorwand erzeugen im Verbrennungsprozess einen phosphathaltigen Feinabrieb. Dieser wird in einer Heißgasreinigung, etwa mittels Kerzenfilter, aus dem Rauchgasstrom abgetrennt. Da Schadstoffe bei den dort herrschenden Temperaturen gasförmig sind, können die Wissenschaftler einen nahezu schadstofffreien, phosphatangereicherten Wertstoffstrom gewinnen. Der Phosphor kann so in den Stoffkreislauf zurückgelangen.

Die bisherigen Versuche in der ZSW-Laborwirbelschichtanlage verliefen positiv, ein kontinuierlicher Betrieb der Testanlage war erfolgreich. Die Wissenschaftler setzen nun an verschiedenen Stellschrauben an: sie optimieren einzelne Parameter des Wirbelschichtprozesses und variieren das zugegebene Hilfsmittel. Ziel der ZSW-Forscher ist es, ein phosphorreiches Ascheprodukt zu erzeugen, das sich in seiner Eigenschaft optimal für die anschließende Nutzung eignet.

Ab 2029 ist die Verwertung Pflicht

Der Druck auf Forschung und Industrie ist hoch, das Phosphorrecycling voranzutreiben. Wenn Kommunen die Einwohnerzahl von 100.000 überschreiten, müssen Kläranlagenbetreiber ab 2029 einen Teil des Phosphors aus Klärschlämmen in den Stoffkreislauf zurückführen. Das verlangt die im Oktober 2017 verschärfte Klärschlammverordnung. Bis in wenigen Jahren müssen daher Verfahren und Produkte zur Marktreife weiterentwickelt werden.

Das ZSW-Projekt hat den Namen „Phosphorextraktion im Rahmen der thermischen Hochtemperaturbehandlung von Klärschlamm“, abgekürzt RECaPHOS. Ziel ist die Entwicklung, Optimierung und Bewertung des thermischen Klärschlammverfahrens. Das Vorhaben wird von der Europäischen Union aus dem Rahmenprogramm „Horizon 2020 – Marie Sklodowska-Curie Individual Fellowships“ für Forschung und Innovation finanziell gefördert.

Über das ZSW

Das Zentrum für Sonnenenergie- und Wasserstoff-Forschung Baden-Württemberg (ZSW) gehört zu den führenden Instituten für angewandte Forschung auf den Gebieten Photovoltaik, regenerative Kraftstoffe, Batterietechnik und Brennstoffzellen sowie Energiesystemanalyse. An den drei ZSW-Standorten Stuttgart, Ulm und Widderstall sind derzeit rund 260 Wissenschaftler, Ingenieure und Techniker beschäftigt. Hinzu kommen 90 wissenschaftliche und studentische Hilfskräfte. Das ZSW ist Mitglied der Innovationsallianz Baden-Württemberg (innBW), einem Zusammenschluss von 13 außeruniversitären, wirtschaftsnahen Forschungsinstituten.

Quelle: ZSW

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