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Bioraffinerie: Technische Universität Wien eröffnet Pilotanlage

In Bioraffinerien sollen in Zukunft biologische Reststoffe zu wertvollen Produkten verarbeitet werden. Die TU Wien leistet dazu einen wichtigen Forschungsbeitrag.

Biomasse einfach nur zu verbrennen, ist nicht die beste Lösung – und oft auch nicht die wirtschaftlichste. Klüger ist es, sie zunächst in ihre chemischen Grundbestandteile zu zerlegen, aus denen man dann wertvolle Produkte herstellen kann. An der TU Wien wird nun am 6. Juni eine Pilotanlage eröffnet, mit der sich bei hohem Druck und hoher Temperatur verschiedene Substanzen aus biologischem Material extrahieren lassen. Das ist ein wichtiger Schritt auf dem Weg zur Entwicklung von Bioraffinerien: In Zukunft soll es möglich sein, in Bioraffinerien durch eine ganze Kaskade verfahrenstechnischer Schritte aus biologischem Material eine ganze Palette wertvoller Produktsubstanzen zu erzeugen.

Keine Konkurrenz zur Nahrungsmittelproduktion

„Pflanzen eigens anzubauen, um sie für die chemische Industrie zu nutzen, wäre ökologisch nicht sinnvoll“, sagt Angela Miltner aus dem Team von Prof. Anton Friedl am Institut für Verfahrenstechnik, Umwelttechnik und technische Biowissenschaften der TU Wien. „Wir entwickeln daher Verfahren, mit denen man Reststoffe nutzbar machen kann, die bisher einfach weggeworfen oder höchstens thermisch verwertet wurden.“ Dazu zählen etwa Stroh, Holzabfälle aus Sägewerken oder Papierfabriken, Strauchschnitt oder auch Bioabfälle aus der Lebensmittelproduktion.

Holzige Reststoffe sind besonders schwer zu verwerten. „Sie enthalten Lignozellulose, die nur bei höheren Temperaturen abgebaut werden kann“, erklärt Martin Miltner, ebenfalls aus dem Team von Prof. Anton Friedl. Gerade diese Rohstoffklasse stellt aber ein riesiges Potential für die Herstellung hochwertgeschöpfter nachhaltiger Produkte dar. An der TU Wien haben sich  die Forschenden genau auf dieses schwierige Problem spezialisiert und nützen nun eine speziell dafür entwickelte Anlage. Sie erreicht einen Druck von bis zu 30 bar und Temperaturen von bis zu 250 °C. Dadurch kann die Lignozellulose in der Biomasse in ihre Hauptkomponenten aufgespalten werden – in Zellulose, Hemicellulose und Lignin. Je nach eingesetztem Rohstoff können auch bioaktive Substanzen wie Cannabinoide, Flavonoide oder Polyphenole extrahiert werden.

Von Sonnencreme bis Arzneimittel

Das Lignin wird in einem von der TU Wien patentierten Prozess in Nanolignin-Partikel umgewandelt, die viele hochwertige Anwendungsmöglichkeiten bieten. Sie können etwa als UV-Schutz in Sonnencremes, in Lacken oder in Verpackungen verwendet werden. Die Hemicellulose – ein Gemisch verschiedener Zucker – kann zur Herstellung von Zuckerersatzstoffen wie Xylitol und Erythritol verwendet werden. Und auch für die Gewinnung pharmakologischer Substanzen wird Hemicellulose genutzt.

Zum Extrahieren der gewünschten Substanzen werden Lösungsmittel verwendet, etwa Mischungen aus Wasser und Ethanol. In der neuen Anlage an der TU Wien gelangt das gewonnene Extrakt dann in einen Verdampfungsteil, wo es weiter aufkonzentriert wird. Das Lösungsmittel kann dabei zurückgewonnen und später wiederverwendet werden. Zusätzlich wird an Verfahren gearbeitet, bei denen wertvolle Stoffe mit speziellen Membranen aufkonzentriert werden.

„In den nächsten Jahren werden wir mit unserer neuen Anlage genau untersuchen, wie man die Betriebsparameter wie Druck, Temperatur, Lösungsmittel und Extraktionszeit am besten kombinieren muss, um die gewünschten Stoffe zu extrahieren“, sagt Prof. Anton Friedl. Auch mehrstufige Extraktionsverfahren sind möglich, alle Einstellungen können an der neuen Anlage exakt programmiert und automatisch ausgeführt werden.

Maßgeschneiderte Anlagen für jeden Zweck

Die Vision ist einerseits, für eine gewünschte Produktpalette die optimale Technologie am optimalen Reststoff-Standort zu entwickeln, und andererseits, für unterschiedliche anfallende Reststoffe die optimalen Verwertungsmethoden zu finden. „Es wird in Zukunft nicht einen Standard-Typ von Bioraffinerien geben“, glaubt Angela Miltner. „Man muss die Verfahren immer an die lokal verfügbaren Reststoffe anpassen.“ Nur wer die chemischen und prozesstechnischen Details sehr gut kennt, wird in Zukunft für jede Anforderung die richtige Bioraffinerie planen können. Neben dem Sägewerk wird man andere Verfahren einsetzen als bei einem Gärtnereibetrieb – aber überall lassen sich Methoden finden, wertvolle Rohstoffe klug zu nutzen.

Nähere Information: Forschungsschwerpunkt Bioraffinerie

Quelle: TU Wien

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