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Nasse Moornutzung auf dem Weg zum Markt

Neue Modellvorhaben zum Klimaschutz durch Moorbodenschutz und Bewirtschaftung mit Paludikulturen am Start.

In Brandenburg, Mecklenburg-Vorpommern und Niedersachsen sind neue Modell- und Demonstrationsvorhaben zum Moorbodenschutz und zur Verwertung des Aufwuchses gestartet. Im übergeordneten Vorhaben PaludiZentrale koordinieren und vernetzen die Universität Greifswald, die Michael Succow Stiftung und das Thünen-Institut die Verbundvorhaben, werten deren Ergebnisse übergreifend aus und kümmern sich in Ergänzung zu den jeweiligen Verbundvorhaben um den Wissenstransfer.

Die Forschenden wollen auf exemplarischen Moorflächen den Wasserstand mindestens oberflächennah anheben und die Verwertung der Moorbiomasse ein großes Stück weiter in Richtung Praxis voranbringen. Noch gibt es so gut wie keinen funktionierenden Markt für den erzeugten Aufwuchs. Ohne wirtschaftliche Perspektive wird eine großflächige Wiedervernässung von Moorböden für den Klimaschutz jedoch kaum Akzeptanz der Landeigentümer und -nutzer sowie letztlich der Gesellschaft finden. Der Aufbau von Wertschöpfungsketten benötigt Zeit; daher ist für die Vorhaben eine Laufzeit von bis zu zehn Jahren vorgesehen.

Das Bundesministerium für Ernährung und Landwirtschaft (BMEL) unterstützt die Vorhaben mit Mitteln aus dem Klima-Transformations-Fonds (KTF); Projektträger ist die Fachagentur Nachwachsende Rohstoffe e. V. (FNR). Über das sogenannte „PaludiNetz“ wird zudem eine enge Zusammenarbeit mit den Ende 2021 gestarteten „Pilotvorhaben Moorbodenschutz“ angestrebt, die durch das Bundesministerium für Umwelt, Naturschutz, nukleare Sicherheit und Verbraucherschutz (BMUV) finanziert werden; Projektträger ist die Z-U-G gGmbH.

Entwicklung funktionierender Wertschöpfungsketten

Kohlenstoffreiche, meist torfhaltige Böden, die für die Bewirtschaftung entwässert wurden, umfassen etwa acht Prozent der landwirtschaftlichen Flächen oder circa 1,3 Millionen Hektar in Deutschland. Durch die Trockenlegung kommt der Torf mit Sauerstoff in Kontakt, wird zersetzt und der Kohlenstoff gelangt in Form von CO2 in die Atmosphäre. Entwässerte Moorböden, die unter anderem auch durch die Forstwirtschaft und den Torfabbau genutzt werden, sind so insgesamt für sieben Prozent der Treibhausgas-Emissionen Deutschlands verantwortlich. Der einzige Weg, die Emissionen zu stoppen und noch vorhandenen Torf zu erhalten, besteht in der Wiedervernässung der Flächen. Die sich dann spontan etablierenden oder gezielt angebauten moortypischen Pflanzen taugen zwar nicht mehr als Futter für Milchkühe oder als Nahrungsmittel, wohl aber als Rohstoff für verschiedene Produkte oder als Energieträger. Diese gezielte Nutzung von Moorbiomasse bei gleichzeitigem Torferhalt nennt man Paludikultur (lat. palūs: Sumpf, Moor).

Für einen gesellschaftlich akzeptierten, großflächigen Moorbodenschutz ist die erfolgreiche Umsetzung dieses Konzeptes eine wichtige Voraussetzung. Ein Fokus der Vorhaben liegt deshalb auf der Entwicklung funktionierender Wertschöpfungsketten, konkret in den Industriezweigen Baustoffe, Papier und Faserstoffe, Gartenbausubstrate sowie in der Energieerzeugung. Dazu entwickeln und optimieren die Forschenden nicht nur die entsprechenden Produkte, sondern suchen auch den Austausch mit Industrievertretern und Praktikern, insbesondere Landwirten, um sich über Rohstoffeigenschaften, Anforderungen und mögliche Hürden auszutauschen.

Neben dem Fokus Verwertung und Anbau untersucht eine wissenschaftliche Begleitforschung in allen MuD-Vorhaben, wie sich Treibhausgasaustausch, Böden, Hydrologie, Wasserqualität und Biodiversität auf den wiedervernässten Flächen entwickeln.

Die vier Vorhaben im Überblick:

PaludiZentrale: Die Universität Greifswald, die Michael Succow Stiftung und das Thünen-Institut übernehmen die Aufgabe, alle Modellvorhaben zu vernetzen und zu koordinieren. Sie sorgen unter anderem für die Einheitlichkeit und Vergleichbarkeit der in den Projekten erhobenen Daten und werten diese übergreifend aus. Sie leiten Empfehlungen ab, unter welchen Rahmenbedingungen Paludikulturen und deren Verwertung in regionalen Wertschöpfungsketten wirtschaftlich lohnend sein können und sorgen für den Wissenstransfer. Daneben kümmert sich die PaludiZentrale über das sogenannte „PaludiNetz“ um die Vernetzung der MuD-Vorhaben mit den bereits laufenden, durch das BMUV geförderten Pilotvorhaben zum Moorbodenschutz.

WetNetBB: Fünf Brandenburger Einrichtungen unter Koordination des Leibniz-Instituts für Agrartechnik und Bioökonomie (ATB) demonstrieren den Umstieg auf die nasse Bewirtschaftung. Die Besonderheit in WetNetBB: Die Forschenden wollen bewusst nicht mit Reinbeständen, sondern mit sich von selbst etablierenden Mischbeständen vor allem aus Nasswiesengräsern arbeiten, die biodiverser und resilienter gegenüber Umwelteinflüssen sind. Hierfür haben sie in vier Regionen eine standörtlich breitgefächerte Palette an Moorflächen, zum überwiegenden Teil bereits Nasswiesenflächen, ausgewählt. Diese Flächenkulisse soll innerhalb des Projektes sukzessive erweitert werden. Aus der Biomasse soll eine breite Produktpalette entstehen: von Baustoffen und Papier über Biochemikalien bis hin zu Biogassubstrat.

RoNNi: Die Pflanzengattung Typha, zu Deutsch Rohrkolben, steht im Zentrum des vom 3N Kompetenzzentrum Niedersachsen Netzwerk Nachwachsende Rohstoffe und Bioökonomie e. V. koordinierten Verbundes. Auf zwei Niedermoorstandorten in den Landkreisen Cuxhaven und Emsland wollen die Forschenden mit den beiden Typha-Arten T. angustifolia und T. latifolia auf je knapp zehn Hektar qualitativ hochwertige Biomasse erzeugen, um daraus Baustoffe und Gartenbausubstrate herzustellen. Im Umkreis der Flächen will das RoNNi-Team Modellregionen mit entsprechenden Verarbeitungsketten etablieren. In den Regionen wird auch der Austausch mit weiteren betroffenen Akteuren wie Landwirten, Flächeneigentümern, Wasser- und Bodenverbänden, Kommunen oder Lohnunternehmen gesucht, um regionale Akteursnetzwerke aufzubauen.

MOOSland: Über 80 Prozent der Hochmoorflächen Deutschlands liegen in Niedersachsen, deren Hochmoortorfe der wichtigste Ausgangsstoff für gartenbauliche Substrate und Erden sind. Deshalb ist vor allem in diesem Bundesland die Torf- und Substratindustrie angesiedelt, die aus Klimaschutzgründen in den nächsten Jahren aus der Torfverwendung aussteigen soll. Gleichzeitig stellen die Hochmoor-typischen Pflanzen, die Torfmoose, in frisch geernteter Form einen hervorragenden Torfersatzstoff dar. Die Universität Greifswald will in MOOSland mit sieben Partnern aus Niedersachsen Paludikulturen mit Torfmoosen weiterentwickeln. Dazu sollen zwei bereits bestehende, zusammen rund 20 Hektar große Pilotflächen optimiert und um mindestens sieben Hektar erweitert werden. Zudem ist geplant, durch Agrarstrukturanalyse und Stakeholder-Beteiligung die Hemmnisse und Lösungsansätze für die großflächige Umsetzung zu erarbeiten sowie die Implementierung von Torfmoos-Paludikultur auch auf weiteren Flächen in den beiden Modellregionen und darüber hinaus zu initiieren. Um die Vermarktung als Substrat zu erleichtern, ist die Vorbereitung einer RAL-Gütesicherung für Torfmoose geplant, da auch andere gängige Rohstoffe im Substratbereich darüber verfügen. Auch die Entwicklung geeigneter Substratmischungen und die Anpassung der Kulturführung stehen auf der Agenda von MOOSland.

Quelle: FNR

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