Die Fachtagungsreihe feiert 2023 ein besonderes Jubiläum.
Eine Informationsveranstaltung zum Thema Kanalsanierung: Ende der Neunzigerjahre kam die Überlegung auf, „sowas zu machen“. Damals war Kanalsanierung „noch nicht in aller Munde“ und eine Marktnische, wie Prof. Dr.-Ing. F. Wolfgang Günthert in seinem Rückblick anlässlich der 20. Münchner Runde 2023 am 12. Oktober in Fürstenfeldbruck erinnerte: „Es gab dann die ersten Bekanntmachungen der Obersten Baubehörde zur Pflicht der Kanalsanierung.“ Das brachte dem Thema Aufmerksamkeit – und die Idee zur Münchner Runde nahm Formen an. Wolfgang Günthert, Hans-Peter Hecker und Thomas Palaske waren hier von Anfang an dabei. Zusammen mit weiteren Experten aus der Praxis haben sie 2003 die Fachtagung aus der Taufe gehoben.
Die 1. Münchner Runde – Antworten zur Kanalsanierung, wie die Veranstaltungsreihe anfangs hieß, war dann sogleich ein voller Erfolg. Und bereits für die zweite Runde wurde der Saal im Casino der Universität der Bundeswehr München, an der Professor Günthert lehrte, zu klein – so groß war das Interesse. Hans-Peter Hecker (KBS Kanal-Beratung-Service GmbH) begrüßte das: „Wir hatten Spaß, es auszubauen.“ Ab der dritten Ausgabe und bis 2016 fand die Münchner Runde – seit 2009 Expertenforum zur Kanalsanierung – im Bürgerhaus Garching und danach einmalig im Bürgersaal Ismaning bei München statt. Seit 2018 trifft sich die Branche in Fürstenfeldbruck, circa 25 Kilometer westlich der Isarmetropole:
Das Veranstaltungsforum Fürstenfeld, früher ein Kloster und heute ein bedeutendes Kulturzentrum in Bayern, erweist sich als ideale Event-Location für das Format. Zur Verfügung steht ein topmoderner, mit neuester Technik und großer Bühne ausgestatteter Kongresssaal, das einladende Foyer mit stylischer Bar und nicht zuletzt die charmante Tenne, die ebenfalls bei Ausstellern für Firmen- und Produktpräsentationen sehr beliebt ist. Der Außenbereich bietet sich an für Technikvorführungen.
Die Münchner Runde wird stets flankiert von namhaften Ausstellern – in diesem Jahr präsentierten sich 55 Unternehmen – und kooperiert von Beginn an mit Ingenieurbüros und Verbänden. Zugrunde liegt nicht nur ein wissenschaftliches, sondern auch ein praktisches Veranstaltungskonzept, das Networking und vielseitige Geschäftskontakte ermöglicht: Ingenieure, Kanalsanierer und kommunale Vertreter sollen einen konkreten Nutzen haben. Mit Irina Dörschel (Ingenieurbüro Dörschel) als Veranstalterin (seit 2010) ist das Format der Fachtagung noch professioneller und medialer aufgezogen worden.
Kommunikation wird hier von jeher großgeschrieben und die Interaktion zwischen Ausstellern und Tagungs-Teilnehmern gepflegt. Der Anspruch lautet: Wissenstransfer auf hohem Niveau. Wichtig ist zudem das persönliche Wohlbefinden: Wer einmal beim geselligen Vorabendtreff im Klosterstüberl Fürstenfeldbruck dabei war, der will das beim nächsten Mal auch. Und die Plätze sind hier begrenzt. Insgesamt 280 Teilnehmende zählte die 20. Münchner Jubiläumsrunde 2023, die sich wieder sichtlich wohlfühlten.
Die Erfolgsgeschichte der Fachtagungsreihe schreiben schließlich hervorragende Referenten und die Moderatoren: Prof. Dr.-Ing. F. Wolfgang Günthert (Deutscher Expertenrat für Umwelttechnologie und Infrastruktur e. V.), der schon durch die erste Münchner Runde 2003 führte, und Prof. Dr.-Ing. habil. Bert Bosseler (IKT gGmbH), der auch schon lange dabei ist. Hans-Peter Hecker dankte beiden für die beständige wissenschaftliche Begleitung. Der Mitinitiator der Münchner Runde schätzt dabei an Wolfgang Günthert, „dass er es immer wieder schafft, mit einfachen Worten komplizierte Vorgänge zu erklären und für jeden zugänglich zu machen“. So ist auch im Ruhestand seine Expertise in Sachen Wasserwirtschaft, Klimawandel und extreme Wetterereignisse gefragt. Bert Bosseler wiederum weiß, was die Branche bewegt: Das Expertenforum zur Kanalsanierung steht für spannende und kontroverse Diskussionen zu aktuellen Themen.
Eva Schnippering (Bayerisches Staatsministerium für Umwelt und Verbraucherschutz) eröffnete nach diesem Rückblick und der Einführung in die Themen der 20. Münchner Runde das Vortragsprogramm. Vorgestellt wurde der DABay-Kennzahlenvergleich als neuer Ansatz und eine Betreiberumfrage. Ausgangslage ist das Projekt „Benchmarking Abwasser Bayern“, das es bereits seit 17 Jahren gibt, bei dem aber immer noch zu wenig Abwasserunternehmen mitmachen. Die Teilnehmerzahl ist unbefriedigend und der Nutzen wird nicht erkannt.
Der DABay-Kennzahlenvergleich soll dazu anregen, an einem ausführlichen Benchmarking teilzunehmen. Das heißt, sich als Betreiber von Abwasserbehandlungsanlagen zu vergleichen und zu verbessern, indem man von den Erfahrungen anderer Anlagenbetreiber profitiert. Mittels Analyse- und Optimierungsinstrumenten werden – als Voraussetzung für eine eigene Anwendung – erfolgreiche Methoden und Prozesse identifiziert und erklärt. Die Unternehmen werden dabei aktiv unterstützt, sich weiterzuentwickeln.
Monika Rothe (Bayerische Ingenieurkammer-Bau) informierte, was bei Bauverträgen gemäß BGB alles zu beachten ist und welche rechtlichen „Stolpersteine“ im Weg stehen können. Das betrifft die Abfassung von Verträgen, Änderungen und Nachträge, Leistungsstörungen vor der Abnahme (auf Seiten des Aufragnehmers und des Auftraggebers), die Abnahme und Abrechnung sowie die Gewährleistung.
Anhand von Beispielen zeigte Prof. Dr. rer. nat. habil. Brigitte Helmreich (Technische Universität München) auf, wie eine wasserbewusste Siedlung realisiert werden kann. Die Herausforderungen des Klimawandels führen bei Stadtplanern zu einem Umdenken der klassischen Siedlungsentwässerung. So stellt die Versiegelung und Nachverdichtung von Grünflächen ein großes Problem dar. Ein dezentrales Regenwassermanagement mit Versickerungsmulden als wichtiges Tool entlastet die Kanalisation und hilft, den Folgen von Starkregen und Dürre entgegenzuwirken. Regenwasser wird bewirtschaftet statt abgeleitet.
Jennifer Hölzlwimmer (Bayerischer Gemeindetag) erläuterte die Zuständigkeiten bei der Straßenentwässerung, wenn es um den Bau und die Unterhaltung von Entwässerungsanlagen geht: Wie läuft das bei den Kommunen? Wer ist für welche Straßen Baulastträger (die Gemeinde, der Landkreis, der Freistaat Bayern oder der Bund), was umfasst die Straßenbaulast und wie werden die Kosten der Entwässerung und Abwasserentsorgung aufgeteilt?
Welche Probleme Schwefelwasserstoff im Kanalbereich verursacht, war von Andreas Obermayer (Unitechnics) zu erfahren. Das übelriechende, farblose und noch dazu hochgiftige Gas greift die Bausubstanz massiv an und gefährdet unter Umständen das Betriebspersonal. Für die Kanalinstandhaltung ist das eine Herausforderung. Doch gibt es effektive Methoden zur Ermittlung und Analyse der Belastung in Abwasseranlagen. Korrosionsgefährdungen können dadurch klar prognostiziert und Betriebsrisiken reduziert werden. Die Bildung von Schwefelwasserstoff lässt sich hingegen nur in begrenztem Umfang verhindern.
Das Nachmittagsprogramm der Münchner Runde startete wieder mit Unternehmens- und Produktpräsentationen im Fünf-Minuten-Takt, die von Professor Bert Bosseler moderiert wurden. Die Firma Rehau stellte dabei ein optimiertes Verfahren der Schach-in-Schacht-Modernisierung vor, der Schweizer Baumaschinenhändler Hysypro eine spezielle Tauchpumpe und Hermes Technologie das Modul „kanaltec-4.0“ für Fräsroboter zur Sanierung von Anschlüssen und Schadstellen im Kanal. Vertreten war auch Nivus, ein führender Systemanbieter von Messtechnik, digitalen Lösungen und Services für die Wasserwirtschaft, der einen autarken Füllstandsensor mit Radartechnologie entwickelt hat.
Das „Ohne-Scherereien-Prinzip – Qualität ohne Kompromisse“ des österreichischen Unternehmens Quabus umfasst die grabenlose Kanal- und Rohrleitungssanierung. Funke Kunststoffe produziert Rohre und Formteile aus dem Werkstoff PVC-U, die über hervorragende bautechnische Eigenschaften verfügen, und das Wiener Startup Adeva hat „EasySafe 160“ – die erste Rückstauklappe für den nachträglichen Einbau auf den Markt gebracht. Erhältlich für alle DN160 Reinigungsöffnungen sowie Schächte, vermindert das innovative Produkt das Verstopfungsrisiko. Die Fließgeschwindigkeit im Kanal wird erhöht.
Rainer Pagelsen (VSB – Verband zertifizierter Sanierungs-Berater für Entwässerungssysteme e.V.) musste seine Teilnahme an der Münchner Runde kurzfristig absagen. Thomas Palaske (Ingenieurbüro Dörschel), der auch im VSB-Vorstand ist, sprang spontan für ihn ein und hielt den Vortrag „Die Kunst von Aufmaß und Abrechnung in der Kanalsanierung“. Im Mittelpunkt stand die Abrechnung von Sanierungsprojekten mithilfe von GAEB-Schnittstellen und den REB – Regelungen für die elektronische Bauabrechnung.
Das IKT – Institut für Unterirdische Infrastruktur hat die Zuverlässigkeit verschiedener Verfahren zur Dichtheitsprüfung an Abwasseranschlussleitungen untersucht. Serdar Ulutaş (IKT) stellte die Studie vor. Im Ergebnis werden undichte Leitungen durch sämtliche Dichtheitsprüfverfahren mit sehr hoher Zuverlässigkeit erkannt. Demgegenüber können dichte Leitungen in nennenswertem Maße auch fälschlicherweise als „undicht“ (Prüfung nicht bestanden) eingestuft werden.
Victoria von Minnigerode (Rödl & Partner) überblickte zu guter Letzt die anstehende Novellierung der europäischen REACH- und der deutschen Gefahrstoff-Verordnung sowie Handlungsempfehlungen bezüglich der Sanierung von Asbestzementkanälen. Ein brisantes Thema, das schon bei der Münchner Runde 2022 für lebhafte Diskussionen sorgte und die Branche noch lange beschäftigen wird; zumal das Bayerische Staatsministerium für Umwelt und Verbraucherschutz Inliner-Verfahren für die Instandhaltung von AZ-Rohren kritisch bewertet. Das Ministerium geht in Bayern (Stand: 2020) von 4.700 Kilometern in Betrieb befindlichen Asbestzementkanälen aus.
Professor Wolfgang Günthert dankte den Referentinnen und Referenten für wieder engagierte Beiträge zu hochinteressanten Themen und topaktuellen Sachverhalten. Denn das zeichnet das Expertenforum zur Kanalsanierung seit der ersten Veranstaltung aus: Hier trifft sich die Branche zum Erfahrungs- und Meinungsaustausch. Die Fachtagungsreihe bringt Trends, Know-how und Best-Practice auf die Bühne.
Das Filmteam der Münchner Runde hat unter der Moderation von Barbara Nilkens (Nilkens Ingenieurbüro für Baukommunikation) wieder tolle Eindrücke gesammelt – zu sehen auf https://www.muenchner-runde.de. Und der erste Ausstellerfilm – Fortsetzung folgt – ist auch schon online: https://www.muenchner-runde.de/film-up
Als Dankeschön und zur Erinnerung an das Jubiläum – 20 Jahre Münchner Runde – erhielten die Referenten sowie alle Feedback-Teilnehmer zur Veranstaltung eine Thermo-Trinkflasche in Grün oder Schwarz. Damit verband sich die Botschaft: Abwasser ist Wasser. „Der Klimawandel wird uns stark beschäftigen“, stimmte Wolfgang Günthert auf die kommenden Aufgaben zur Sicherung der Wasserversorgung ein. Erforderlich seien gesellschaftliches Umdenken und vorausschauendes Handeln aller Akteure. „Es geht nur gemeinsam“, machte der Moderator der Münchner Runde abschließend deutlich, und fügte hinzu: „Wichtig ist, dass wir die Erfahrungen, die wir gewonnen haben, an die nächste Generation weitergeben.“
„Meet the Practice“ ist hier das Angebot für Azubis und Studierende, die später als Facharbeiter, Techniker oder Ingenieure arbeiten wollen. Im Rahmen der Münchner Runde – Expertenforum zur Kanalsanierung können junge Menschen Einblicke in Berufe mit Zukunft gewinnen, sich mit Branchenprofis treffen und informieren, wie es in der Praxis läuft. Die Teilnahme ist kostenlos.
Die 21. Münchner Runde findet am 17. Oktober 2024 statt: www.muenchner-runde.de
Veranstalter ist das Ingenieurbüro Dörschel (Inning am Ammersee) in Kooperation mit dem DWA-Landesverband Bayern. Veranstaltungsort ist das Veranstaltungsforum Fürstenfeld in Fürstenfeldbruck.
Quelle: Ingenieurbüro Dörschel