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Smartphones umdenken: Modulare Mobilgeräte als Antwort auf den Elektroschrott-Anstieg

Ein Leben ohne Smartphone ist in der modernen Zeit kaum noch vorstellbar. Doch während die elektronischen Begleiter unser Leben oftmals bereichern, belasten sie gleichzeitig erheblich die Umwelt.

Wie also kann Umweltschutz mit Produktion und Nutzung von Smartphones in Einklang gebracht werden? Genau dieser Frage widmeten sich zwei Industriedesigner vom Fraunhofer IZM im Rahmen des BMBF-geförderten Projekts MoDeSt und untersuchten die Vereinbarkeit von moderner Technik und Kreislaufwirtschaft. Als Ergebnis präsentieren sie zwei Entwürfe für langlebige und recycelbare Smartphones mit außergewöhnlichem Design.

In immer kürzeren Abständen kommen neue Smartphone-Generationen auf den Markt, lösen noch funktionsfähige Geräte ab und lassen so ihre Nutzungsdauer schrumpfen. Obwohl Studien belegen, dass Europäer*innen ihre Mobiltelefone immer länger verwenden [1], wird die volle Lebensdauer der Geräte noch lange nicht ausgeschöpft. Parallel zum Wettbewerbsdruck der Herstellenden haben die Abfallströme des Elektroschrotts ernsthafte Konsequenzen für die Umwelt. So entstehen in Deutschland alleine durch Smartphones circa 1,7 Millionen Tonnen Elektroschrott im Jahr. Vor diesem Hintergrund setzte die Europäische Union im Jahr 2020 einen Aktionsplan für Kreislaufwirtschaft auf, um die Menge des E-Schrotts zu reduzieren. Bei der Kreislaufwirtschaft setzt auch das Forschungsprojekt MoDeSt an: Untersucht wird, wie der Lebenszyklus von Smartphones verlängert und die Modularität technisch sowie wirtschaftlich erfolgreich umgesetzt werden kann. Im Zentrum steht also die Maximierung von Langlebigkeit, Reparierbarkeit und Recycling-Potenzial, ohne die Funktionalität der Geräte zu beeinträchtigen.

Wie der Produktnutzungszyklus durch einfachen und schnellen Hardwarewechsel verlängert werden kann

Die Grundlage des Projekts bildet der zirkuläre Baukasten, der am Fraunhofer IZM entwickelt und öffentlich zur Verfügung gestellt wurde. Ausgehend davon haben sich die beiden Industriedesigner Tapani Jokinen und Robin Hoske zum Ziel gesetzt, das Design von Smartphones grundlegend zu überdenken und entwickelten zwei wegweisende Entwürfe. Beim ersten Entwurf, dem sogenannten Modest Cube, lag der Fokus darauf, höchste Reparierbarkeit des Geräts umzusetzen. So veranschaulicht der Modest Cube, wie der Produktnutzungszyklus durch einfachen und schnellen Hardwarewechsel verlängert werden kann. Modularität erstreckt sich hier also nicht nur auf die Einzelbauteile, sondern auf das gesamte System.

Um die funktionellen Anforderungen des Cubes festzulegen, wurden Daten zu individuellen Bedürfnissen und Nutzungsverhalten von Konsumenten analysiert und durch gezielte Workshops mit Experten aus den Bereichen Wirtschaft, Umwelt, Konsum und Design verfeinert. Hoske erklärt die entstandene Vision: „Der Modest Cube verkörpert ein Smartphone, das nicht altert, denn mit Hilfe des Mix&Match-Prinzips können Teile der Hardware einschließlich des Bildschirms mühelos ausgetauscht werden. Das ist nicht nur ein Gewinn für die Reparierbarkeit – es eröffnet auch die Möglichkeit, unterschiedliche Anforderungen der Nutzenden zu treffen: Wer beispielsweise eine extrem gute Kamera im Smartphone braucht, kann diese aufrüsten, ohne direkt ein neues Gerät kaufen zu müssen. Damit veranschaulicht unser Entwurf, wie Elektroschrott reduziert werden kann, während der Wert des Produkts bewahrt wird.“

„So viel wie nötig, so wenig wie möglich“

Mit dem zweiten Entwurf gehen die Designer noch einen Schritt weiter: Mit einer innovativen Optik erfindet die „Modest Arch“ das mobile Telefon neu und bezieht zusätzlich psychologische Komponenten der Smartphone-Nutzung ein. Die Idee ist es, die Nutzung im Sinne der digitalen Suffizienz zu moderieren, um das mentale Wohlbefinden zu fördern und potenzielle negative Auswirkungen wie verringerte Konzentrationsfähigkeit zu minimieren. Nach dem Motto „So viel wie nötig, so wenig wie möglich“ werden hierfür Nutzungsmuster hinterfragt, auf das Wesentliche beschränkt und dadurch auch der Material- und Energieverbrauch reduziert.

Besonders im Design weist die Arch eine kreative Lösung auf, die sich auf die Prognosen zukünftiger Konnektivität der Industriedesigner stützt. „Wir gehen davon aus, dass in den kommenden zehn Jahren viele Anwendungen über Virtual Reality und KI-basierte Sprachassistenten funktionieren werden. Daher haben wir uns für ein kompaktes und minimalistisches Design entschieden, bei dem die Hardware auf ein Minimum reduziert und das Betriebssystem cloudbasiert umgesetzt wird. Das Grundgerüst des Geräts ist damit eigentlich ein Webbrowser in Form eines persönlichen Tokens, der vergleichsweise wenige Bauteile benötigt. Je nach Bedarf können weitere Funktionen konfiguriert werden und die Arch als Schnittstelle für eine vernetzte IoT-Umgebung dienen“, erklärt Jokinen. So könnte die Arch je nach Bedürfnis an verknüpfte Benutzeroberflächen anderer Geräte angeschlossen werden und bequemen Zugang zu individuellen Daten und Diensten liefern.

Dieser Ansatz führt zu großen gestalterischen Freiheiten im Design. So entschieden sich Hoske und Jokinen für ein rundes Interface in der Größe von 51 x 15 Millimetern aus recyceltem Stahl. Wie eine Stoppuhr kann die Arch dank ihrer ultra-mobilen Gestaltung als Armband, Halskette oder Brosche getragen und mit einer Hand gegriffen werden. Zusätzlich zu Patches an den Außenseiten des Screens arbeitet das Gerät auch mit taktil-haptischem Feedback und kann durch die Motion-Sensing-Technologie zum Beispiel als PC-Desk oder Air Mouse umfunktioniert werden. Auch eine hochauflösende Kamera und zahlreiche Sensoren zur Messung von Vitaldaten sind integriert.

Das Potenzial, die Elektronikindustrie nachhaltig zu verändern

Noch sind die Modest-Entwürfe Cube und Arch Zukunftsvisionen auf dem Papier, die Forschenden hinter dem Projekt haben aber ehrgeizige Pläne. Im Anschluss an das Projektende wollen sie Prototypen entwickeln und umfassende Tests damit durchführen. Die beiden zentralen Ansätze – verlängerte Produktnutzungsdauer und modulares Design – haben das Potenzial, die Elektronikindustrie nachhaltig zu verändern, das Design von Smartphones in neue Richtungen zu lenken und Elektroschrott zu reduzieren.

Das Verbundprojekt MoDeSt wurde vom BMBF im Rahmen der Maßnahme „Ressourceneffiziente Kreislaufwirtschaft – Innovative Produktkreisläufe (ReziProK)“ unter dem Kennzeichen 033R231 gefördert. Beteiligte Projektpartner waren: TU Berlin (später BTU Cottbus-Senftenberg), Centre for Sustainability Management (CSM) der Leuphana Universität Lüneburg, Integrated Quality Design (IQD) der Johannes Kepler Universität Linz (assoziiert), Shift GmbH und AfB gGmbH.

Quelle: Fraunhofer IZM (Text: Olga Putsykina)

[1] https://www.tagesschau.de/wirtschaft/verbraucher/smartphones-nutzungsdauer-austausch-wechsel-nachhaltigkeit-kosten-reparatur-101.html
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