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Chemisches Recycling: „Es darf zu keiner Kannibalisierung der Stoffströme kommen“

Let´s talk about Chemical Recycling – Interview mit Michael Ludden, Geschäftsführer der Sutco Recycling GmbH:

Herr Ludden, welches Potenzial hat aus Ihrer Sicht das chemische Recycling?

Das Potenzial liegt ganz klar zwischen der mechanischen Aufbereitung und der energetischen Verwertung. Beim Verbrennen wird nur noch die Energie des Kunststoffabfalls genutzt, das Material selbst geht verloren. Es muss also neues Material gewonnen werden, aus fossilen Ressourcen. Anders als das mechanische Recycling nutzt das chemische Recycling die bestehenden Polymere aber nicht als Werkstoff, sondern spaltet diese Verbindungen auf.

Wo macht es konkret Sinn?

Michael Ludden (Foto: Sutco Recycling GmbH)

Für mich macht chemisches Recycling dort Sinn, wo es im mechanischen Recycling schwierig wird. Da bietet es sich an, die Kohlenstoffverbindungen aufzubrechen, zu reinigen und neu zu polymerisieren. Das passiert gegenwärtig aber nicht. Die Crux liegt leider darin, dass sich das chemische Recycling im Moment nur mit der Aufbereitung von Polyolefinen, wie etwa Polypropylen und Polyethylen befasst. Diese Kunststoffe bestehen nur aus Verkettungen von Kohlenstoff und Wasserstoff. Die große Menge anderer Kunststoffe, die auch noch Stickstoff, Schwefel oder Sauerstoff enthalten, steht bei den chemischen Recyclern nicht im Fokus, denn diese Stoffe stören die Pyrolyse. Nun ist es aber so, dass Polyolefine sehr gut im mechanischen Recycling verarbeitet werden können. Diese Art des Recyclings ist ökologisch viel sinnvoller, weil die Kunststoffe dabei in ihrer Vernetzung intakt bleiben. Man vernichtet also erstens kein Material und zweitens sind für die Aufarbeitung weniger Ressourcen, weniger Energie und weniger Wasser nötig. Wenn jetzt auch die chemischen Recycler das Material verwenden, das die mechanischen Recycler sehr gut verarbeiten können, kommt es zu einer Kannibalisierung der Stoffströme. Das muss unbedingt verhindert werden.

Und wie?

Es ist die Aufgabe der Politik, das zu verhindern. Im Prinzip gibt es eine gesetzlich festgelegte fünfstufige Abfallhierarchie. Da ist das mechanische Recycling höherwertiger als das chemische. Dieses Prinzip darf nicht aufgebrochen werden. Die Bestrebungen der Gleichschaltung von mechanischem und chemischem Recycling sind ja schon im Gange. Das sehe ich als sehr gefährlich an. Denn dann würde die Ökologie erheblich leiden. Die Ökologie muss aber immer im Vordergrund stehen.

Bremst die fehlende Wirtschaftlichkeit die Entwicklung des chemischen Recyclings nicht aus?

Aus heutiger Sicht ist das chemische Recycling im großen Maßstab vielleicht nicht wirtschaftlich. Aber wer weiß, ob sich das nicht mit den Jahren ändert. Vor zehn Jahren hätte man auch nicht gedacht, dass man für Rezyklate mehr Geld bekommt als für Neuware. Was wir heute als nicht wirtschaftlich bezeichnen, kann ja in Zukunft mit anderen politischen Rahmenbedingungen durchaus wirtschaftlich sein. Wichtig ist, dass die Politik die Entwicklung so treibt, dass es künftig einen dauerhaft sinnvollen Einsatz von chemischem Recycling gibt. Sie muss gewährleisten, dass sich mechanisches und chemisches Recycling optimal ergänzen. Das würde etwa bedeuten, dass Polyolefine nicht chemisch recycelt werden. Noch einmal: Eine Kannibalisierung wäre die schlechteste Lösung, denn sie führte zu ökologischem Schaden.

Inwieweit berührt chemisches Recycling das Geschäft von Sutco?

Unser Geschäftsmodell ist dadurch nicht belastet. Im Gegenteil. Sutco baut Sortieranlagen. Die sind im mechanischen Recycling zwingend nötig vor der eigentlichen Aufbereitung des Materials. Aber sie sind auch für das chemische Recycling unverzichtbar. Wir haben auch schon einige Anfragen bekommen.

Wie wird sich das chemische Recycling entwickeln?

Die chemischen Recycler befinden sich derzeit in einer Pilotphase. Die Verfahren laufen alle erst in kleinem Maßstab. Manche Anlagen haben eine Kapazität von vielleicht 10.000 Tonnen im Jahr. Zum Vergleich: Wir bauen heute Sortieranlagen für 100.000 Tonnen. Es werden Probleme auf die chemischen Recycler zukommen, die viele noch gar nicht sehen. Im kleinen Maßstab tauchen sie oft auch gar nicht auf. Ein Beispiel ist die Behandlung von Fremdelementen wie Schwefel oder Stickstoff. Bei 5.000 Tonnen im Jahr, ist das Produkt am Ende noch in Ordnung. Bei 100.000 Tonnen hat man auf einmal einen großen Abfallstrom, der behandelt werden muss. Dann muss man Entschwefelungsanlagen und vieles mehr bauen. Das wird sehr teuer. Und das ist einer der Gründe, warum ich davon überzeugt bin, dass mechanisches Recycling immer günstiger sein wird als chemisches. Deshalb werden die Hauptstoffströme ins mechanische Recycling gehen. Trotzdem muss die Politik aufpassen, dass sie hier keine Fehler macht.

Was halten Sie von Quoten für den Rezyklateinsatz?

Ich bin unbedingt für eine produktbezogene Rezyklateinsatzquote. Sie wird den Markt für Rezyklate enorm ankurbeln und damit auch dafür sorgen, dass die Stoffströme größer werden. Dann muss jeder, der zum Beispiel ein Haarshampoo herstellt, dafür sorgen, dass seine Verpackungsflasche den vorgegebenen Rezyklatanteil hat. Dafür muss er dem Anbieter den geforderten Preis bezahlen. Wenn das Angebot knapp wird, steigen die Preise. Darüber entsteht der Zug vom Markt in die Recyclingkunststoffe. Und dann wird mehr in Recyclinganlagen investiert. Wenn man heute eine Sortieranlage und ein Aufbereitungsanlage plant, muss man einen kontinuierlichen Input über mehrere Jahre erwarten können und einen kontinuierlichen Output zu einem einigermaßen konstanten Preis. Dann steigen auch die Stoffmengen. Deshalb sind Rezyklatquoten so wichtig. Aber gleichzeitig muss die Politik aufpassen, dass das chemische Recycling diese Stoffmengen nicht absorbiert. Das sind ihre beiden Hauptaufgaben. Wenn sie das hinkriegen, dann ist vieles machbar.

Herr Ludden, vielen Dank für das Interview!

Quelle: VDMA

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