Studie ordnet weltweite Länder in zehn Profile nach vergangenen, aktuellen und zukünftigen CO2-Emissionen sowie ihren Anstrengungen in der Klimapolitik. Entwicklungsländer und selbst die meisten Schwellenländer haben weitaus kleineren Klima-Fußabdruck als entwickelte Nationen. Mehrdimensionale Kategorisierung soll internationale Verhandlungen künftig erleichtern.
Die Weltklimakonferenz COP27 im November 2022 in Ägypten hat erneut die sehr unterschiedlichen Positionen der verschiedenen Länder zum Thema Klimaneutralität verdeutlicht – und die Grenzen der Verständigung aufgezeigt. Um künftige Verhandlungen zu erleichtern, haben Forschende des Deutschen Instituts für Wirtschaftsforschung (DIW Berlin) und des Energy Access und Development Programs (EADP) die unterschiedlichen Ausgangspositionen von 182 Ländern mit Blick auf ihre aktuelle und historische Emissionsbilanz und Klimaschutzpolitik analysiert.
Anhand dieser Analyse wurden die Länder in Gruppenprofile eingeteilt. „Eine Länderbewertung hinsichtlich des Klimawandels ausschließlich auf Basis aktueller Emissionszahlen ist zu eindimensional, denn auch historische Emissionen und Klimaziele beeinflussen das Gesamtbild“, begründet Studienautor Dawud Ansari das Vorgehen der Forschenden. „Dadurch schaffen wir kein übliches Ranking, sondern fokussieren uns mehrdimensional auf Klimagerechtigkeit und Klimaneutralitätsziele.“ Die Forschenden haben acht Emissionsprofile sowie eine Vielzahl von Pfaden der Klimafreundlichkeit ermittelt und analysiert. Hinzu kommen zwei gesonderte Profile für die beiden größten Emittenten USA und China.
Hohe Diversität zwischen den Profilen
Fast die Hälfte der Länder hat zwar in der Vergangenheit nur vergleichsweise wenig zum Klimaproblem beigetragen, hat aber bislang auch keine Pläne, klimaneutral zu werden („die Unbeteiligten“). Andere Länder haben eine schlechte Emissionsbilanz, aber nur wenige oder gar keine Klimaschutzpläne („die Minimalisten“ und „die Ungebremsten“). Daneben gibt es einige bisherige Verschmutzer wie Deutschland und Kanada, die zeigen, dass ein hoher Grad an Industrialisierung ambitionierten Klimaschutz nicht ausschließt („die Gewandelten“). „Zwischen den Profilen besteht eine hohe Diversität. Damit bleiben die Hürden für Einigungen auf Weltklimagipfeln sehr groß“, konstatiert DIW-Ökonomin Franziska Holz.
Bei der mehrdimensionalen Analyse fällt auf, dass Ähnlichkeiten zwischen Ländern weniger auf geographischer Nähe beruhen, sondern zumeist auf ökonomischer und politischer Vergleichbarkeit. Beispielsweise bestehen in der EU erhebliche Unterschiede, die nicht zwangsläufig durch verschiedene Ausgangsbedingungen, sondern durch divergierende nationale Politikansätze zustande kommen. So sind Polen und Deutschland beide Kohleproduzenten, ihre Klimaschutzpläne unterscheiden sich aber deutlich, sodass sie in unterschiedlichen Emissionsprofilen sind (Polen bei den „Gleichgültigen“ und Deutschland bei den „Gewandelten“).
Neuer Fonds darf kein leeres Versprechen bleiben
„Entwicklungsländer und selbst die meisten Schwellenländer haben einen sehr viel kleineren Klima-Fußabdruck als entwickelte Nationen“, erläutert EADP-Forscher Wassim Brahim. Gerade einkommensschwache Länder haben und hatten so gut wie keine Emissionen und werden auch absehbar nur in geringem Maße zu den globalen Treibhausgasemissionen beitragen. Sie forderten daher auf der COP27 in Ägypten eine Unterstützung durch die bisherigen Treibhausgasverursacher für ihre klimawandelbedingten Schäden und Verluste, die zukünftig durch einen neuen Fonds gewährt werden soll. Gleichzeitig wurde auf der COP aber auch deutlich, dass die meisten Schwellen- und fast alle Entwicklungsländer keine oder nur schwache Klimaneutralitätsziele haben, sodass es keine Garantien für künftiges klimafreundliches Verhalten gibt. Bei ihnen stehen die Verbesserung der Lebensbedingungen und das Aufholen zu den Industrienationen im Vordergrund.
DIW-Energieökonomin Claudia Kemfert bekräftigt daher, „dass wohlhabende Länder entsprechend dem Leitbild nachhaltiger Entwicklung sowohl aus klima- als auch aus entwicklungspolitischer Sicht klimafreundliches Wirtschaften in Entwicklungsländern finanzieren müssen“. Die noch zu verhandelnde Ausstattung des „Loss and Damage Funds“ müsse also substantiell sein und dürfe nicht nur ein Versprechen bleiben.
Quelle: DIW Berlin