Die Einschätzung der politischen Lage hat sich in vielen Weltregionen im Vergleich zum ersten Quartal 2022 teils deutlich verbessert. Bezüglich der Beurteilung der gegenwärtigen Wirtschaftspolitik existieren global allerdings starke regionale Unterschiede.
Dies sind die Ergebnisse des Economic Experts Survey (EES), einer weltweiten Umfrage unter ökonomischen Expert*innen, die gemeinsam vom ifo Institut und dem Schweizer Institut für Wirtschaftspolitik (IWP) vierteljährlich erhoben wird.
In allen Regionen Europas beurteilen die Teilnehmenden die politische Situation positiver als zu Beginn des Jahres. Ähnlich positiv fallen die Einschätzungen in Afrika (Ausnahme: Mittelafrika) und Asien (Ausnahme: Südasien) aus. Auffällig ist zudem die deutliche Verbesserung der Bewertung für Ozeanien. In Amerika gibt es ein Nord-Süd-Gefälle: Während die Bewertung für Nord- und Mittelamerika positiv ausfällt, verzeichnet Südamerika eine Verschlechterung der politischen Lage. Den teils deutlich negativen Einschätzungen in der ersten Umfrage (2022 Q1) stehen positive Bewertungen im zweiten Quartal gegenüber.
Deutliche Zunahme der politischen Stabilität weltweit
Die Beurteilung der politischen Lage erfolgt zu gleichen Teilen anhand zweier Dimensionen: der Einschätzung der Performance der jeweiligen Regierung sowie der Bewertung der politischen Stabilität im Land. Im Mittel verbesserten sich nach Einschätzung der Expert*innen sowohl die Performance als auch insbesondere die politische Stabilität. Für Europa ergibt sich bei der Performance der Regierung ein gemischtes Bild: Während in West- und Südeuropa eine Verbesserung wahrgenommen wird, verzeichnen Nord- und Osteuropa eine leichte Verschlechterung. In Mittelafrika und Südamerika gab es eine deutliche Verschlechterung im Vergleich zum Vorquartal. Insbesondere in Ozeanien, aber auch in Nordamerika und weiten Teilen Afrikas verbesserte sich die Regierungsperformance nach Meinung der Expert*innen deutlich. In Asien sind die Bewertungen meist leicht positiv, aber generell nicht stark ausgeprägt.
Die wahrgenommene politische Stabilität hat im Vergleich zum Vorquartal in fast allen Regionen zugenommen. Besonders ausgeprägt ist die Zunahme der politischen Stabilität in Ozeanien, Süd- und Westeuropa, aber auch in Mittelamerika sowie weiten Teilen Afrikas. In Asien verzeichnen Ost- und Südost-Asien die stärksten Zuwächse. Für Nord- und Osteuropa ist die Verbesserung der politischen Stabilität im Vergleich zum Vorquartal hingegen nur schwach ausgeprägt. Die einzigen negativen Bewertungen gibt es für Mittelafrika, Südasien und Südamerika.
Starke regionale Unterschiede in der Wirtschaftspolitik
Die Wirtschaftsexpert*innen sehen deutliche wirtschaftspolitische Unterschiede innerhalb und zwischen den Kontinenten. Die Bewertung der Wirtschaftspolitik hat sich im zweiten Quartal in Nord-, Mittel- und Südeuropa teils deutlich verbessert, während sich die Lage in Osteuropa im Vergleich zum Vorquartal nochmals verschlechterte. In Amerika gibt es ein starkes Nord-Süd-Gefälle: Die Teilnehmenden in Nordamerika blicken im zweiten Quartal positiver auf die dortige Wirtschaftspolitik. In Mittel- und Südamerika verschlechterte sich dagegen die wirtschaftspolitische Lage. Eine negative Bewertung der Wirtschaftspolitik gibt es auch für Zentral- und Südasien. Eine leicht positive Entwicklung sehen die Expertinnen und Experten für Westasien; in Ost- und Südostasien verbesserte sich die wirtschaftspolitische Lage noch etwas deutlicher. Ozeanien verzeichnet eine deutlich positive Entwicklung. Die wirtschaftspolitische Stimmung in Afrika hat sich, mit Ausnahme Mittelafrikas, mitunter ebenfalls deutlich verbessert.
Gutes Zeugnis für die aktuelle Wirtschaftspolitik
Befragt werden die Expert*innen einerseits zur aktuellen wirtschaftspolitischen Lage und andererseits zur Ausrichtung der Wirtschaftspolitik bezüglich Herausforderungen der Zukunft. Im Vergleich zum Vorquartal wurden beide Aspekte im Durchschnitt positiver bewertet, wobei die positive Ausprägung im Hinblick auf die aktuelle Wirtschaftspolitik stärker ist. Eine Verschlechterung der aktuellen wirtschaftspolitischen Lage sehen die Expert*innen nur für Mittelafrika und – schwächer ausgeprägt – für Osteuropa und Südamerika.
Eine positive Entwicklung im Vergleich zum Vorquartal wird vor allem in Ostafrika, Ozeanien, Nordamerika und Südeuropa wahrgenommen. Die Beurteilung der langfristigen Ausrichtung der Wirtschaftspolitik fällt heterogener aus. In Osteuropa und Mittelafrika hat sich die wirtschaftspolitische Ausrichtung auf Herausforderungen in der Zukunft nach Meinung der Expert*innen deutlich verschlechtert. In Amerika gibt es ein klares Nord-Süd-Gefällte mit einer Verbesserung in Nordamerika und einer Verschlechterung in Südamerika. In Asien ergibt sich ebenfalls kein einheitliches Bild mit positiven Werten für Ost- und Südost-Asien und negativen Werten für Zentral- und Südasien. Insgesamt ist der weltweite Durchschnitt bei der Bewertung der wirtschaftspolitischen Ausrichtung auf Herausforderungen in der Zukunft nur leicht positiv.
Der Economic Experts Survey (EES) ist eine vierteljährliche Umfrage des ifo Instituts und des Instituts für Schweizer Wirtschaftspolitik. An der Umfrage vom 25. Mai 2022 bis zum 18. Juni 2022 nahmen 1795 Wirtschaftsexpert*innen aus 127 Ländern teil.
Quelle: ifo Institut