Die Bauindustrie verbraucht große Mengen energetischer Ressourcen und produziert Tonnen an Abfällen. Dass der Gebäudesektor schon heute mit einer funktionierenden Kreislaufwirtschaft vereinbar ist, wollen Studierende und Forschende des Karlsruher Instituts für Technologie (KIT) bei dem Hochschulwettbewerb Solar Decathlon Europe 21/22 zeigen.
Das interdisziplinäre Team „RoofKIT“ widmet sich dabei Gebäudedächern als bisher ungenutzte Flächenressource. Nach einer zweijährigen Planungsphase startete am 19. Mai 2022 der Aufbau der Demonstrationseinheit auf dem Solar Campus in Wuppertal.
Wie kann sozial-ökonomisch fairer Wohnraum entstehen, ohne die natürlichen Ressourcen zu zerstören? Wie kann sich der Bausektor so umgestalten, dass er den Klimawandel nicht weiter verstärkt? Diese und weitere Fragen stellen sich Studierende und Mitarbeitende unterschiedlicher Fachbereiche des KIT im Team „RoofKIT“. „Die Stadt von heute wird die Ressource für die Stadt von morgen sein. Dazu braucht es ein neues Verständnis von Bauen“, sagt Professor Dirk Hebel, der das Projekt gemeinsam mit Professor Andreas Wagner an der KIT-Fakultät für Architektur leitet. „Wir müssen alle konstruktiven Details neu denken, um unsere zukünftigen Gebäude auf einen solchen Wandel vorzubereiten.“
Säulen der Nachhaltigkeit als Basis
Um zu demonstrieren, wie diese neue Art des Bauens aussehen kann, erstellt das Team beim Hochschulwettbewerb Solar Decathlon Europe 21/22 ein Konzept für die Dachaufstockung des Café ADA in Wuppertal. Die Gestaltung des Gebäudes basiert auf den drei Säulen der Nachhaltigkeit „Ökologie“, „Ökonomie“ und „Soziales“, die RoofKIT um die vierte Säule „Ästhetik“ ergänzt hat. Im Konzept stellt das Team vorgefertigte Holzmodule vor, die einen schnellen, preisgünstigen und effizienten Bauprozess ermöglichen. Für eine optimale Raumnutzung verwenden sie flexible Grundrisse und ein Sharing-Economy-Konzept. Zudem nutzt das Bauwerk 100 Prozent erneuerbare Energien, unter anderem aus Solaranlagen auf Gebäudeflächen und im Hinterhof.
„Wir entwickeln einen Bausatz, der überall Anwendung finden kann und stellen außerdem neue Konstruktionssysteme, Materialien und Systeme zur Energiegewinnung vor“, erläutert Nadine Georgi, Studentin der Architektur am KIT und Mitglied von RoofKIT. „Wir sind davon überzeugt, dass wir durch neue stadtplanerische und architektonische Blaupausen eine soziale sowie ökonomisch, ökologisch und ästhetisch nachhaltige Zukunft verwirklichen können.“
Demonstrationseinheit auf dem Solar Campus
Seit Ende März 2022 arbeitet RoofKIT gemeinsam mit einer Zimmerei und Tischlerei im österreichischen Reuthe am Bau der Demonstrationseinheit. Die zweiwöchige Aufbauphase auf dem Solar Campus startete mit dem offiziellen Spatenstich am gestrigen Donnerstag. In der nun anschließenden, zweiwöchigen Eventphase sind die Häuser für Interessierte geöffnet. Währenddessen bewertet eine internationale Fachjury die eingereichten Gesamtkonzepte und Demonstratoren.
In zehn Kategorien wie Nachhaltigkeit, Energieperformance und Innovation küren die Expertinnen und Experten die jeweiligen Gewinner-Teams, um am Ende der Eventphase den Gesamtsieger zu ermitteln. Im Anschluss an den Wettbewerb wird sich der Solar Campus in Wuppertal in ein „Living Lab“ verwandeln, das die Forschung an ausgewählten Häusern fortsetzt. RoofKIT plant, das aufgebaute Gebäude nach Karlsruhe zu bringen: „Wir wollen unseren Demonstrator für die Öffentlichkeit in Karlsruhe zugänglich machen und auch hier zeigen, dass eine langfristige, nachhaltige Lösung im Bauwesen schon heute umsetzbar ist“, schildert Georgi.
Über den Wettbewerb Solar Decathlon Europe
Der Solar Decathlon wurde 2002 vom Energieministerium der Vereinigten Staaten initiiert und ist ein Hochschulwettbewerb für ressourcenschonende und energieeffiziente Architektur und Ingenieurwesen im Bausektor, der seit 2008 auch in einer europäischen Version als Solar Decathlon Europe stattfindet. 2021/2022 ist Deutschland zum ersten Mal Austragungsort des Wettbewerbs, der sich zudem erstmals auf das Leben und Bauen in der Stadt fokussiert. 18 Hochschulteams aus elf Ländern setzen ihre Visionen von nachhaltiger, energieeffizienter und sozialverträglicher Architektur in die Praxis um. Das Bundesministerium für Wirtschaft und Klimaschutz (BMWK) fördert den Wettbewerb.
Quelle: Karlsruher Institut für Technologie (KIT)