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bvse-Ausschuss Recycling von Reifen und Gummi gegründet

Insgesamt mehr als 30 Teilnehmer hatten sich real und online zusammengefunden, um der Branche eine stärkere Stimme als bisher zu geben.

„Wir verfügen in Deutschland über leistungsfähige Recycling- und Entsorgungsspezialisten, die sich um die fachgemäße Entsorgung und das Recycling von Altreifen und Gummi kümmern. Wir reden hier nicht über Kleinigkeiten, sondern über Stoffströme mit einem Mengenaufkommen von jeweils etwa 600.000 Tonnen, also zusammen fast 1,2 Millionen Tonnen pro Jahr“, erklärte Eric Rehbock, Hauptgeschäftsführer des bvse-Bundesverband Sekundärrohstoffe und Entsorgung, auf der Gründungsversammlung des neuen Ausschuss Recycling von Reifen und Gummi, die am 26. November in Bonn und per Videokonferenz stattgefunden hat.

Insgesamt mehr als 30 Teilnehmer hatten sich real und online unter der Moderation von bvse-Referent Dr. Thomas Probst zusammengefunden, um der Branche eine stärkere Stimme als bisher zu geben. Zwar gebe es eine ganze Palette von Verwertungsanlagen, aber es werde immer schwieriger, marktgängige Verwertungsmöglichkeiten zu finden, hörte man auf der Gründungsversammlung. So werden beispielsweise die thermischen Verwertungsmöglichkeiten in Zementwerken immer weiter zurückgefahren und auch der Einsatz von Gummimaterialien als Prall- und Fallschutz wird zunehmend hinterfragt.

Altreifenbranche zusammenführen und Schlagkraft erhöhen

Dabei ist das Besondere beim Reifenrecycling, dass die Maßnahmen der Abfallhierarchie und deren Rangfolge im Recycling von Reifen und Gummi in Deutschland durch die mittelständisch geprägten Unternehmen umgesetzt werden. Dabei stehen gleich vier Verwertungsoptionen zur Verfügung: Die Runderneuerung für die Vorbereitung zur Wiederverwendung, die werkstoffliche Verwertung (Recycling) von Reifen- und Gummigranulaten, die rohstoffliche Verwertung/chemische Verwertung über die Pyrolyse und schließlich die thermische Nutzung, das ist der Einsatz von Reifen im Bereich der Ersatz- beziehungsweise Sekundärbrennstoffe (EBS/SBS) überwiegend in Zementwerken.

Rehbock zeigte sich überzeugt, dass diese Beispiele deutlich machen, wie enorm wichtig es sei, die Altreifenbranche zusammenzuführen und schlagkräftig zu machen. „Ich bin davon überzeugt, dass wir mit dem neuen Ausschuss „Recycling von Reifen und Gummi“ dafür den Grundstein legen können. Ich kann Ihnen hierfür die volle Unterstützung des bvse-Präsidiums und der Geschäftsführung zusichern“, betonte der bvse-Hauptgeschäftsführer in seiner Rede.

Bernd Franken (Ecocalor GmbH) erläuterte vor dem Gründungsakt, warum sich die Unternehmen im Bereich Verwertung und Recycling von Reifen und Gummi selber organisieren müssen. Nach seiner Auffassung gebe es bisher keinen Verband, der die gesamte Bandbreite der Fachunternehmen, wie sie erforderlich ist, um Reifen- und Gummirecycling zu betreiben, vertrete. „Es war deshalb für mich naheliegend, mich näher mit der mittelstandsgeprägten Verbandsorganisation des bvse zu beschäftigen. Es gibt hier ein exzellentes Netzwerk mittelständischer Unternehmen. Es gibt außerdem eine sehr gute Struktur hinsichtlich rechtlicher Beratung, Marketing sowie der notwendigen Kontakte in die Politik hinein, die ein einzelnes mittelständisches Unternehmen so nicht aufbauen könnte“, beschrieb Franken seine Überlegungen.

Europäische Vernetzung des Mittelstandes wird immer wichtiger

Franken machte deutlich, dass sich der Reifen- und Gummiverwertungsmarkt durch rein markttechnische, aber auch durch rechtliche Einflüsse in den letzten drei bis vier Jahren massiv verändert hat. Der Mittelstand brauche daher ein Sprachrohr, um die Politik früher und besser darüber zu informieren, welche Lösungen und Regeln praxisbezogen und besser sind. Er plädierte außerdem für eine stärkere europäische Vernetzung der Unternehmen, denn der grenzüberschreitende Austausch werde für den Mittelstand immer wichtiger.

„Wenn wir das nicht gemeinsam hinbekommen, wird der Mittelstand, der heute die Arbeit im Wesentlichen macht, auf der Verliererstraße sein“, warnte Bernd Franken und verwies in diesem Zusammenhang auf die enge Vernetzung mit EuRIC, dem Verband der europäischen Recyclingindustrie, dessen Gründungsmitglied der bvse ist.

Das bestätigte auch Julia Blees, Senior Policy Officer von EuRIC, die aus London zugeschaltet war. Sie stellte den europäischen Recyclingverband und seine Aktivitäten in Brüssel bei der Europäischen Union vor. Zu den neuesten Aktivitäten gehörte in 2020 die Gründung der EuRIC Mechanical Tyre Recycling Branch (EuRIC MTR). Hier sei der bvse nach Gründung des eigenen Ausschusses sehr herzlich eingeladen mitzuwirken. Es stehen hier Treffen und ein ständiger Austausch mit der Europäischen Kommission zur Verteidigung des werkstofflichen Recyclings auf der Tagesordnung. Außerdem sei ein Factsheet zum Reifenrecycling in Arbeit, das in Kürze veröffentlicht werde.

Gründungsakt und Vorstandswahl

Als Dr. Thomas Probst schließlich zur Gründung des Ausschusses aufrief, gab es nicht nur ein einstimmiges Votum der Teilnehmer der Gründungsversammlung, sondern bei der Vorstandswahl auch eine überwältigende Bereitschaft zur Mitarbeit im neuen Vorstand.

Vorstand des neugegründeten bvse-Ausschuss Recycling von Reifen und Gummi (Foto: bvse)

Einstimmig wählte die Versammlung Bernd Franken (Ecocalor GmbH) zum Vorsitzenden und Josef Hösl (Estkom GmbH) zu seinem Stellvertreter. Als Beisitzer wurden gewählt: Martin Klinger (Gummiwerk Kraiburg), Dr. Susanne Madelung (PVP Triptis GmbH), Bernhard Miller (RRC Rubber Recycling GmbH), Thorsten Schaab (Umtec GmbH), Matthias Einsele (ELM Recycling GmbH), Hanna Schöberl (Kurz Karkassenhandel GmbH), Thomas Maashöfer (PreZero Service Westfalen GmbH), Stefan Dietl (LOGEX System GmbH), Reinhard Danninger (Danninger OHG Spezialtransporte), Markus Müller (Hans Schmidt GmbH Altöl- und Abfallverwertung).

Zahlen, Daten, Fakten

Auf der Gründungsversammlung wurde zudem in einem interessanten Vortragsblock ein fachlicher Überblick über die Branche gegeben.

So berichtete Josef Hösl von der Estkom GmbH, dass in Deutschland jährlich etwa 46 Millionen Pkw-Altreifen erfasst würden. Davon würden circa neun Millionen als Gebrauchtreifen und Karkassen weiterverwendet. Aktuell würden circa drei Millionen Karkassen runderneuert, wobei ein Steigerungspotenzial um circa 4,6 Millionen grundsätzlich gegeben sei. Für das Altreifenrecycling gibt es Kapazitäten in Höhe von 340.000 Tonnen. Daraus ergeben sich circa 210.000 Tonnen Gummigranulate, die beispielsweise für Produkte gebraucht würden, die im Bauten- und Lärmschutz, in der Ladungssicherung oder auch bei Bahngleisanlagen eingesetzt werden.

Geht der Input fürs Recycling aus?

Thorsten Schaab von der Umtec GmbH gab einen Einblick in die Arbeitsweise einer hochmodernen Recyclinganlage, aber auch in die Schwierigkeiten, die das Marktumfeld mit sich bringt. Das Unternehmen recycelt in seiner Anlage Stahlcord, ein Drahtseil aus vermessingtem oder verzinktem Stahldraht, der in Rohgummi verschmolzen ist. Der Recycler ist als einziger in Deutschland in der Lage, die im Stahlcord enthaltenen Rohstoffe zu 100 Prozent rückzugewinnen.

Mit Hilfe speziell entwickelter Maschinen wird der unvulkanisierte Gummi vom Stahl getrennt. Der Stahlmantel wird von der Stahlindustrie nachgefragt. Aus dem hergestellten Gummigranulat entstehen je nach Qualität beispielsweise Schuhsohlen, Gummihammer, Vollgummireifen, Ackerschlepperreifen oder auch Gummimatten. Viel zu oft landet das Material jedoch in der Verbrennung oder in der Deponie. Thorsten Schaab kritisiert daher, dass enorme Mengen von Stahlcord ins Ausland exportiert werden und befürchtet, dass in Zukunft der Input der Anlage nicht mehr gesichert werden könne.

Was hat die Tierhaltung mit Recycling zu tun?

Dr. agr. Catrin Anker, die aus Tittmoning in Oberbayern zugeschaltet wurde, gab darauf die Antwort. Anker arbeitet für die Gummiwerk Kraiburg Elastik GmbH & Co. KG und ist dort in der Produktentwicklung tätig. Das Unternehmen stellt für die Rinder- und Pferdehaltung Liege- und Laufmatten her und verarbeitet dafür jährlich 35.000 Tonnen Gummigranulat, das aus dem Altreifenrecycling stammt.

Die Vorteile der hergestellten Gummimatten liegen auf der Hand, denn diese sind für Rinder mit ihrem erheblichen Gewicht und den im Verhältnis kleinen Klauen stoßdämpfend und trittsicher. Beton sei nicht nur „unbequem“, wie Anker ausführte, sondern könne auch schwere Schäden an den Klauen und daraus resultierend auch erhebliche wirtschaftliche Nachteile für die Landwirte zur Folge haben. Auch für Pferdehalter stehen besonders Sicherheit und Komfort des Produktes im Vordergrund. Gummimatten würden beispielsweise als Boxenbeläge, in Stallgassen, Rampen oder Führanlagen eingesetzt.

Quelle: bvse

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