Die Zahl neuer Gleisanschlüsse in Deutschland erhöhen, die Vergabe staatlicher Förderungsmittel an Privatunternehmen vereinfachen und das bestehende Ungleichgewicht zwischen Schiene und Straße beseitigen. Das sind zentrale Ergebnisse der 1. BME-VDV-Gleisanschluss-Konferenz, die der bvse-Bundesverband Sekundärrohstoffe und Entsorgung e.V. als Partnerorganisation unterstützt hat.
In Keynotes, Podiumsdiskussionen und Round Tables kamen die knapp 160 teilnehmenden Verlader und Spediteure zu dem Schluss, dass es nicht nur um den Bau neuer, sondern auch um die stärkere Nutzung bereits bestehender Gleisanschlüsse gehe. Eine weitere Aufgabe bestehe darin, die Stilllegung von Gleisanschlüssen zu verhindern. Last but not least sei es wichtig, die Attraktivität der Bahn und ihre Stellung als umweltfreundliche Alternative zum Lkw langfristig zu steigern.
Eine Herkulesaufgabe
Die Kongressteilnehmer waren sich einig, dass der Schienengüterverkehr in Deutschland vor großen Herausforderungen steht. So wird im Bundesverkehrswegeplan für den Schienengüterverkehr bis zum Jahr 2030 ein Zuwachs in der Verkehrsleistung von mehr als 40 Prozent prognostiziert – vor dem Hintergrund fehlender Lokführer, politischen Reformstaus und maroder Bahninfrastruktur sicherlich eine Herkulesaufgabe. In diesem Zusammenhang verwiesen anwesende Spediteure darauf, dass es auch beim Verkehrsträger Straße nicht viel besser aussehe. Der Dieselskandal sei nicht aufgearbeitet und verunsichere die Logistikbranche; es fehle an Lkw-Fahrern, von denen viele entweder über 50 Jahre alt seien oder aus Osteuropa stammten. Auch die niedrigen Löhne trügen nicht dazu bei, dass die Straße an Attraktivität gewinne.
Joachim Berends, Vizepräsident des Verbands Deutscher Verkehrsunternehmen (VDV), verwies auf den Umweltaspekt. Danach werden die gravierenden Folgen des Klimawandels und Strategien zur Begrenzung des Anstiegs der weltweiten Durchschnittstemperaturen in Zukunft das zentrale Thema der politischen und gesellschaftlichen Diskussion sein. Neben der Energiewende gerate die Verkehrswende zunehmend ins Fadenkreuz der Strategien zum unabdingbaren Umbau von Wirtschaft und Gesellschaft. Ziel sei eine „Zero-Emission“ bis 2050.
Marktanteil der Schiene müsse viel stärker wachsen
Für den Güterverkehr seien vor allem auf der langen Strecke keine ökonomisch und ökologisch tragfähigen Alternativen zum aktuell dominanten dieselgetriebenen Lkw erkennbar. Dies gilt insbesondere auch für den O-Lkw. Die einzige Alternative zum dieselbetriebenen Fern-Lkw sei die bereits heute weitgehend elektrisch betriebene Güterbahn. Berends forderte am Dienstag, der Marktanteil der Schiene müsse insbesondere im Langstreckenbereich (über 200 km) sehr viel stärker wachsen als in bisherigen Zukunftsprojektionen vorgesehen. Nur so ließen sich Verpflichtungen aus dem Pariser Klimaschutzabkommen auch nur annähernd einhalten. Dies setze jedoch eine umfassende erfolgreiche Modernisierung der Schiene voraus – kommerziell, logistisch und technologisch.
Auf die Herausforderung, Güter auf die Schiene zu bringen, verwies Dr. Christian Jung, Mitglied des Verkehrsausschusses des Deutschen Bundestages und der FDP-Bundestagsfraktion. So benötigten Bahninfrastrukturprojekte bis zu ihrer Realisierung 20 bis 30 Jahre. Wenn heute Schnellfahrstrecken geplant würden, bereite das geltende deutsche Planungsrecht massive Probleme. Jung: „Deshalb werden wir versuchen, mit den Parteien des demokratischen Spektrums im Deutschen Bundestag zu einer Planungsvereinfachung zu kommen.“ Viele gute Ideen, insbesondere zum Ausbau von Gleisanschlüssen, seien nicht realisierbar, weil „wir ein desolates Netz der Deutschen Bahn haben“. Jung weiter: „Uns fehlt die Digitalisierung, uns fehlt ETCS“ (das European Train Control System – ETCS, deutsch Europäisches Zugbeeinflussungssystem ist ein Zugbeeinflussungssystem und grundlegender Bestandteil des zukünftigen einheitlichen europäischen Eisenbahnverkehrsleitsystems ERTMS. ETCS soll langfristig die über 20 verschiedenen Zugbeeinflussungssysteme in Europa ablösen).
Man sehe am Beispiel der Eisenbahntunnel-Havarie in Rastatt 2017 oder dem jüngsten Feuer im ICE bei Montabaur und der damit verbundenen Sperrung der Schnellfahrstrecke Frankfurt-Köln, dass es einerseits zu massiven Umleitungsverkehren komme und es andererseits zu wenig Ausweichstrecken gebe. Deshalb sei ein neuer Ansatz in der Politik erforderlich. Die Schieneninfrastruktur in Deutschland müsse als öffentliche Infrastruktur gesehen werden. Es sollte keinen Unterschied zur Autobahn geben. Jung schlug vor, eine „Infrastrukturgesellschaft Schiene“ zu gründen. Dieses Gremium könnte sich um den Netzausbau kümmern.
Quelle: bvse