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„EU-Kommission opfert die Revision der EU-Chemikalienverordnung REACH für Industrieinteressen“

Werfen deutsche Nichtregierungsorganisationen vor. Umwelt- und Gesundheitsschäden würden damit in Kauf genommen:

Die EU-Kommission sei auf Druck der deutschen chemischen Industrie und der konservativen Parteien im EU-Parlament offenbar bereit, die Revision der EU-Chemikalienverordnung REACH auf Ende 2023 zu verschieben. Für eine Überarbeitung von REACH in der laufenden Legislaturperiode wäre es dann zu spät. Die Revision würde so um Jahre verzögert oder fiele ganz aus, wenn die neu gewählte Kommission 2024 sie nicht fortführt. Mit der Verschiebung nehme die EU-Kommission die zunehmende Belastung von Umwelt und Gesundheit durch schädliche Chemikalien in Kauf, kritisieren zahlreiche deutsche Nichtregierungsorganisationen als Reaktion auf die Veröffentlichung des Arbeitsprogramms der Kommission. Dabei seien Mensch und Umwelt bereits so stark mit Chemikalien belastet, dass schwere Umwelt- und Gesundheitsschäden an der Tagesordnung seien.

Die Organisationen mahnen dringend an, am Zeitplan der REACH-Revision festzuhalten und den Schutz vor Chemikalien zu verbessern. Mit der Verschiebung der REACH-Revision stelle die EU-Kommission die Interessen der Industrie vor den Umwelt- und Gesundheitsschutz. Ein Bericht der schwedischen NGO ChemSec zeige aber, dass die chemische Industrie, darunter auch BASF und Bayer, trotz der steigenden Energiepreise erhebliche Gewinne machen. Weltweit erwirtschafte die chemische Industrie die höchsten Umsätze aller Industriesektoren. Und es werde ein erhebliches Umsatzwachstum für die nächsten Jahre prognostiziert.

Die Kommission selbst hatte die Reform als dringend notwendigen Schritt angekündigt, weil REACH in seiner gegenwärtigen Form keinen ausreichenden Schutz vor gefährlichen Stoffen biete. Sie sei überfällig, um die Bewertung und Beschränkung von gefährlichen Stoffen zu beschleunigen und den nachhaltigen Umbau des Chemiesektors in Gang zu bringen. Die zivilgesellschaftlichen Organisationen appellierten in einem Brief an EU-Kommissionspräsidentin von der Leyen, die REACH-Revision gemäß dem ursprünglichen Zeitplan vorzulegen. Das Einknicken der EU-Kommission vor dem Druck der deutschen Chemieindustrie sei ein Armutszeugnis und torpediere die Ziele des Green Deals. Auch die Umweltminister*innen aus acht EU-Mitgliedstaaten – darunter Deutschland – sowie eine Mehrheit im europäischen Parlament teilten das Anliegen der NGOs, die REACH-Revision wie geplant durchzuführen.

Hintergrund

Wie stark die Vergiftung in den letzten Jahren auch in Europa zugenommen hat, zeigen Daten zur Belastung des Menschen mit schädlichen Chemikalien aus dem EU-Projekt „Human Biomonitoring for the European Union“ (HBM4EU). Die nachgewiesenen Konzentrationen von Kunststoffzusätzen wie Weichmachern oder poly- und perfluorierten Verbindungen (PFAS) bei Kindern und Jugendlichen sind so hoch, dass gesundheitliche Schäden nicht mehr ausgeschlossen sind. Auch die UN hat in diesem Jahr die chemische Verschmutzung als dritte große Umweltkrise benannt, während parallel Wissenschaftler*innen in einer Studie belegten, dass die planetaren Grenzen für die chemische Belastung bereits überschritten sind.

Im Oktober 2020 legte die EU-Kommission die Chemikalienstrategie für Nachhaltigkeit als Teil des europäischen Zero-Pollution Ziels vor. Darin war unter anderem enthalten, die REACH-Verordnung zu überarbeiten, um die Defizite von REACH zu korrigieren. Die REACH-Verordnung ist 2007 in Kraft getreten. Zentraler Bestandteil ist das „no data no market“ Konzept, laut dem die Hersteller und Importeure von chemischen Stoffen Informationen über diese Stoffe an die Europäische Chemikalienagentur übermitteln müssen, um diese in der EU verkaufen zu können. Zudem müssen sie nachweisen, dass diese Stoffe in den „vorgesehenen Verwendungen” keine negativen Auswirkungen auf Mensch und Umwelt haben. Die Verordnung definiert verschiedene regulatorische Instrumente, wie das Zulassungs- und das Beschränkungsverfahren, mit denen die Behörden den Marktzugang von besonders schädlichen Chemikalien einschränken können. Was im Ansatz gut schien, lief in der Praxis eher schleppend. Die europäische NGO EEB hatte in einem Bericht aufgezeigt, dass es durchschnittlich zehn Jahre dauert, einen einzigen Stoff zu regulieren.

Quelle: Bund für Umwelt und Naturschutz Deutschland (BUND)

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