Anzeige

Der Green Deal nimmt die Immobilienwirtschaft in den Fokus

Die Themen Nachhaltigkeit und Klimawandel sind omnipräsent und werden zunehmend zum wesentlichen Treiber der Wirtschaft und somit auch der Immobilienbranche. Nun rückt die Regulierung der EU-Taxonomie in den Fokus. Was sind die Rahmenbedingungen solcher und anderer Regel- und Zertifizierungswerke? Und wie sollte sich die Immobilienwirtschaft darauf einstellen?

Diesen Fragen ging der Mastertalk „Standards für Green Buildings – Was ändert sich durch die EU-Taxonomie und COP26?“ am 11. Januar nach, veranstaltet von CoreNet Global (CNG) und der Hochschule Fresenius.

Prof. Dr. Thomas Glatte, Professor für Immobilienwirtschaft an der Hochschule Fresenius und als CNG-Vorstandsmitglied für Aus- & Weiterbildung zuständig, hatte hierzu die drei Vorstände des Green Building Councils (GBC) gewonnen – mit Deutschland, Dänemark und Spanien aus unterschiedlichen Ländern. So wurde auch auf die nationalen Besonderheiten eingegangen:

  • Christine Lemaitre, CEO Deutsche Gesellschaft für Nachhaltiges Bauen (DGNB)
  • Mette Qvist, CEO Green Building Council Dänemark
  • Bruno Sauer, CEO Green Building Council Spanien

Dr. Christine Lemaitre gab in ihrem Eingangsstatement einen Überblick über die Entwicklung – ausgehend vom Pariser Klimaabkommen über Glasgow bis zur EU-Taxonomie – und die Zertifizierungssystematik. Um nachhaltiges Bauen anwendbar, messbar und damit vergleichbar zu machen, hat die DGNB ein eigenes Zertifizierungssystem für Gebäude, Innenräume und Quartiere entwickelt – sowohl für Neubauten als auch für Bestandsprojekte. Als Planungs- und Optimierungstool soll das DGNB-System dabei helfen, die Nachhaltigkeit von Bauprojekten zu erhöhen und dazu beitragen, eine ganzheitliche Qualität in Planung, Bau und Betrieb umzusetzen – und so die Zukunftssicherheit von Bauprojekten zu gewährleisten.

Der Zertifizierungsprozess – mit den drei wesentlichen Kriterien: Lebenszyklusbetrachtung, Ganzheitlichkeit und Performanceorientierung – dient der transparenten Qualitätskontrolle. So wird der gesamte Lebenszyklus eines Projekts mit betrachtet – in puncto Umweltauswirkung und Ressourcenverbräuche, aber auch Bewirtschaftungs- und Instandhaltungskosten. Die zentralen Nachhaltigkeitsbereiche Ökologie, Ökonomie und Soziokulturelles fließen gleichgewichtet in die Bewertung mit ein.

Der Taxonomie-Plan, als Teil des Green Deals der EU und des EU-Aktionsplans für nachhaltige Finanzierung, solle den Finanzsektor regulieren – ein Haupthebel bei der Steuerung von Investments. Lemaitre: „Immobilien gehören zu den wichtigsten Zielobjekten, in die Kapital investiert wird. Der Green Deal wiederum nimmt die Immobilienwirtschaft als große Branche besonders in den Fokus. Daher müssen vor allem für Gebäude verbindliche Kriterien definiert werden.“ Umweltziele der EU-Taxonomie sind dabei in erster Linie die Verlangsamung des Klimawandels beziehungsweise eine Anpassung daran.

Wann ist ein Immobilieninvestment nachhaltig?

Nachhaltigkeit und der gesetzliche und politische Umgang damit erforderten eine ganzheitliche Herangehensweise. Ein Klassifizierungssystem sollte hier die Richtung vorgeben, über praktikable Tools verfügen, gleichzeitig aber flexibel sein. Daneben räumte Lemaitre auch mit Vorurteilen auf. So sei die EU-Taxonomie kein Rating von guten oder schlechten Unternehmen und gebe auch keine verpflichtenden Investmentlisten vor. Lemaitre beantwortete zudem auch die Kernfrage: „Was macht ein Immobilieninvestment bezogen auf die Taxonomie nachhaltig?“ Hierfür müsse es einen substanziellen Beitrag zu mindestens einem der sechs Umweltziele leisten, während die anderen fünf Ziele nicht wesentlich beeinträchtigt werden dürften. Obendrein müssen soziale Schutzmechanismen eingehalten werden.

Abschließend berichtete Lemaitre von den Ergebnissen einer Studie darüber, wie der Markt auf die Gebäudekriterien der Taxonomie vorbereitet sei. Hieran nahmen 24 Unternehmen mit 62 Projekten teil. Ein Auslöser der Erhebung war, dass am Markt große Zweifel, Nervosität aber auch Unsicherheit bestehen – ein Begriff, der sich durch die Diskussion zog. Das Resultat der Untersuchung stimmt indes positiv: Die Einhaltung der Regeln werde als durchführbar angesehen, was zum Fazit Lemaitres führte: „Es gibt keine Ausreden mehr. Wir müssen starten.“

Enttäuscht von EU-Plänen

Auf die Frage von Moderator Glatte, wie sie die EU-Taxonomie-Kriterien generell einschätze, zeigte sie sich enttäuscht. In einer ersten Reaktion hatte der DGNB von einem „unambitionierten Rückschritt“ gesprochen. Ins selbe Horn stieß Mette Qvist vom GBC Dänemark. Auch ihr gehen die Vorgaben nicht weit genug: „Der Markt will Qualität und der Markt kann liefern. Es ist schade, dass die EU das nicht berücksichtigt hat.“ Dabei gebe es eine starke Nachfrage nach nachhaltigen Gebäuden durch Investoren und öffentlicher Hand. Sie sieht die Branche in Dänemark mit ihren hohen Maßstäben und Zielen, die staatliche Regeln übertreffen, sogar als Vorreiter an.

Bruno Sauer, GBC Spanien, sieht sein Land gegenüber dem Rest Europas weniger als Pionier an. Aber auch hier herrsche eine starke Nachfrage. Zudem fungiere man als Scharnier zwischen öffentlichem Interesse und privatem Markt. Sogleich rief er die Branche auf: „Wir haben die Zahlen und Daten. Also legt los, macht Eure Hausaufgaben.“ Ihm gehe es nicht schnell genug: „Wir sehen bei unserer Arbeit jeden Tag Häuser, bei denen man es besser machen könnte. Viele scheuen immer noch vor den Kosten zurück. Stattdessen sollten sie ambitionierter sein und aus ihrer Komfortzone herauskommen!“ Co-Moderatorin Martina Williams war begeistert: „Danke für deinen Call to Action, Bruno.“

Laut Sauer haben Ratingsysteme ihre absolute Berechtigung. Sie lassen sich gut nutzen: „Doch global gesehen, sollten wir uns nicht so sehr auf einzelne Gebäude, sondern die urbane Transformation konzentrieren, auf Energieverbrauch und Transport. Über allem steht die Frage: Wie kann das alles effizienter sein?“

Kaum noch neue Gebäude?

Eine große Entwicklung ist dabei, wesentlich weniger neue Gebäude zu bauen. Vielmehr sollten bestehende Objekte erhalten, umgebaut und effizienter gestaltet werden – statt diese abzureißen. Qvist berichtete hier von Architekturstudenten in Dänemark, die davon ausgehen, gar kein neues Haus mehr zu errichten. Für sie kommt der Ruf nach Veränderungen aus der Mitte der Gesellschaft, von jüngeren Angestellten, aber auch Pensionsfonds und Investoren.

Sauer allerdings empfindet die Immobilienwirtschaft als „nicht übermäßig innovativ, verglichen mit anderen Branchen wie Transport oder dem Internet der Dinge“. Worauf Lemaitre erwiderte: „Wir bauen für 50 Jahre. Vielleicht ist es ganz gut, dass bei uns nicht gleich alles direkt ausprobiert wird. Läuft eine Entwicklung schief, ist es gut, dass wir eher langsam sind.“ Und Qvist ergänzte: „Wir müssen aus verschiedenen Perspektiven auf die Dinge sehen, auch in andere Länder schauen, unser Wissen austauschen und mehr Risiken eingehen.“

Daran schloss sich Glattes finale Frage an: Wenn wir uns die nächsten Jahre anschauen, wer ist da der Motor der Entwicklung? Sauer: „Das können Architekten sein, Investoren, auch Banker. Immer aber sind es die Individuen, die von der Sache überzeugt sind; keine einzelnen Berufsgruppen.“ Ähnlich denkt Qvist: „Das kommt aus allen Bereichen; von dort, wo es ambitionierte Unternehmen gibt. Vor allem aber entsteht der Druck in der allgemeinen Öffentlichkeit.“ Lemaitre sieht ebenfalls nicht den einen Treiber. Trotzdem sorge besonders „das Finanzwesen für einen Push und für Transparenz.“

Moderator und Initiator Glatte freut sich über diese „tolle Zusammenfassung“. Wie auch die Rekordteilnehmerzahl von rund 100 Teilnehmern zeigte, sei das ein riesiges Thema, das wir heute nicht annähernd ausfüllen konnten. Daher werde man in den Mastertalks den Faden hierzu im Laufe des Jahres wieder aufgreifen, da ESG eines der Leitthemen für CNG ist.

Der nächste Mastertalk findet am 8. Februar 2022 um 17 Uhr statt. Weitere Informationen zur Mastertalk-Serie unter: www.mastertalk.net

Quelle: CoreNet Global (CNG)

Anzeige

KÖNNTE SIE AUCH INTERESSIEREN

Schlagzeilen

Anzeige

Fachmagazin EU-Recycling

Translation