Das werkstoffliche Kunststoffrecycling ist seit Jahrzehnten etabliert. Aktuell werden zunehmend physikalische und chemische Verfahren als Ergänzung des mechanischen Recyclings diskutiert. Die Diskussionen zu diesem Thema werden intensiv geführt, weil in den Verfahren eine Konkurrenz unter anderem zum mechanischen Recycling gesehen wird. Vordergründig werden die Wirtschaftlichkeit und Nachhaltigkeit in Frage gestellt.
Die DGAW begrüßt die Bestrebungen, insbesondere der chemischen und petrochemischen Industrie – nach Medienberichten –, mit Investitionen von rund 2,6 Milliarden Euro bis 2025 und rund 7,2 Milliarden Euro bis 2030 eine Ergänzung zum mechanischen Recycling zu schaffen und damit die Produzentenverantwortung wahrzunehmen.
Fakt ist für die DGAW:
Das werkstoffliche Recycling ist weder bisher noch in absehbarer Zeit in der Lage, die ambitionierten Recyclingquoten der EU mengenmäßig in der notwendigen Qualität zu erreichen. Daher werden bisher und auch zukünftig erhebliche Mengen an Kunststoffen entweder energetisch genutzt oder ins Ausland exportiert, wenn keine neuen Verfahren etabliert werden.
Die Verfahren des physikalischen und chemischen Recyclings sind noch nicht vollständig ausgereift, auch wenn es bereits größere Anlagen im halbindustriellen Maßstab gibt. Viele Verfahren haben großtechnisch, ökonomisch und ökologisch bisher nicht überzeugen können. Die veröffentlichten Studien zeigen sowohl den umfangreichen Forschungsbedarf als auch das hohe Potenzial dieser neuen Verfahren.
Daher plädiert die DGAW dafür:
Weitere Studien durchzuführen, die die Ökobilanz sowie die technische Reife (TRL- technical readiness level) der Verfahren untersuchen.
Neben den Recyclingquoten werden zukünftig verstärkt Substitutionsquoten bzw. Vorgaben für den „minimal content“ an Recyclingmaterial in Neuware festgelegt. Den Start machen die PET-Getränkeflaschen, die ab 2025 zu 25 Prozent aus rPET bestehen müssen. Es werden weitere Produkte und Verpackungen nach dem Willen der EU folgen. Dies begrüßt die DGAW sehr, da damit eine langjährige Forderung der DGAW zum verstärkten Einsatz von Recyclingmaterial in Verantwortung der Produzenten umgesetzt wird.
Nach Einschätzung der DGAW wird gerade im Lebensmittel- und im Kosmetikbereich die Qualität der Rezyklate aus dem derzeitigen mechanischen Recycling nicht ausreichen und eine Zulassung unwahrscheinlich sein. Daher kann das chemische Recycling zu einer Erhöhung des Einsatzes von Post-Consumer-Kunststoffabfällen führen. Denn aus den Produkten (Pyrolyseöl oder Syngas) können Kunststoffe in Neuwarequalität hergestellt werden, sodass das Recycling von Mischkunststoffen gesteigert werden kann. Die Kreislaufführung des im Kunststoffabfall enthaltenen Kohlenstoffes wird einen Beitrag zur Dekarbonisierung der Industrie leisten.
Zugleich vertritt die DGAW die Position, dass die aufwändige Aufbereitung von zum Beispiel Mischkunststoffen zu Produkten wie Pyrolyseöl oder Syngas, sowie deren anschließende Verbrennung z. B. als Diesel, kein „Recycling“ sein kann. In diesem Fall sollte aus Sicht der DGAW die direkte thermische Umwandlung zu Strom und Abwärme bevorzugt werden.
Auch die alleinige Betrachtung von Verpackungskunststoffen ist zu kurz gedacht und lässt viele technische Kunststoffe außer Acht, für die es aktuell keine werkstofflichen Verfahren gibt. Diesen Prozessen in Deutschland und der EU im weiteren Sinne keine Chance zu geben, sieht die DGAW als rückwärtsgewandt. Ein solches Klima in Deutschland dürfte dazu führen, dass die Innovatoren und Investoren in risikofreudigere Länder abwandern.
Die Zeit scheint reif: Wir sollten neuen Verfahren und neuen Akteuren eine Chance geben, sich in der Praxis zu beweisen. Nur so kommen wir auf dem Weg zur Circular Economy weiter.
Quelle: DGAW