Die Interessengemeinschaft Thermischer Abfallbehandlungsanlagen warnt vor einer Überschätzung der Wirkung reiner Verkaufsverbote von größeren Lachgas-Kartuschen, insbesondere, wenn begleitende Maßnahmen wie Rücknahmesysteme oder technische Sicherheitsstandards ausbleiben.
Auch muss das Verbot grenzüberschreitend sein: Hier hat die EU vergangene Woche die Delegierte Verordnung 2025/1222 auf den Weg gebracht, die Lachgas in die Liste der harmonisierten Einstufungen als reproduktionstoxischen Stoff der Kategorie 1B aufnimmt und damit faktisch ein Verbot des Verkaufs an Privatpersonen vorbereitet. Die Verordnung gilt ab dem 1. Februar 2027.
Hintergrund: Nicht vollständig entleerte Lachgasflaschen mit Füllmengen zwischen 600 und 2.000 Gramm gelangen bereits jetzt zunehmend über den Hausmüll in thermische Abfallbehandlungsanlagen (TAB), wo sie bei den hohen Temperaturen in den Kesseln explodieren können, anstatt bei Wertstoff- und Recyclinghöfen abgegeben zu werden. In Folge eines Verbots ist davon auszugehen, dass für die großen Kartuschen ein Schwarzmarkt entsteht oder sie sich über den gewerblichen Bereich etablieren, sodass sie weiterhin nach dem Konsum im Restmüll entsorgt werden (siehe auch: ITAD-Hintergrundpapier zum Thema Lachgas).
„Ein Verkaufsverbot ist ein erster wichtiger Schritt, doch ohne flankierende Maßnahmen wird sich das Problem der Explosionen in TAB nicht lösen lassen“, erklärt Dr. Bastian Wens, Geschäftsführer der ITAD. „Wir fordern ein ergänzendes Pfandsystem für große Kartuschen im gewerblichen Bereich sowie gesetzlich verankerte Sicherheitsstandards wie Überdrucksicherungen, die Explosionen verhindern können.“
Bei einer ITAD-Umfrage aus dem Frühjahr 2024 berichteten 57 Prozent der TAB über vermehrte Explosionen, 45 Prozent registrierten zugleich steigende Schäden. Einzelne Anlagen verzeichnen heute bis zu zehnmal mehr Überdruckereignisse als noch vor zwei Jahren. Die Folgen: Schäden an Verbrennungsrosten, Ausmauerungen und Wärmeübertragern, teure Reparaturen sowie Betriebsunterbrechungen mit Auswirkungen auf die Fernwärmeversorgung.
Dies stellt eine direkte Bedrohung für die Entsorgungs- und Versorgungssicherheit dar, denn: TAB liefern etwa 16 Prozent der leitungsgebundenen Wärme in Deutschland und tragen wesentlich zur Defossilisierung der Wärmenetze bei. Betriebsunterbrechungen gefährden die kontinuierliche Versorgung von Haushalten und Industrie mit Strom und Wärme. Die entstandenen Schäden können sich pro Vorfall leicht auf über 100.000 Euro belaufen. Die daraus resultierenden Kosten müssen über die Abfallgebührenhaushalte von den Bürgerinnen und Bürgern getragen werden. Darüber hinaus gefährden die Explosionen zunehmend den Schutz von Mitarbeitenden und Besuchenden; Führungen durch Kesselhäuser mussten vielerorts eingestellt werden.
Präzedenzfälle im EU-Ausland zeigen: Verbote allein reichen nicht aus
Der Blick ins europäische Ausland mahnt hinsichtlich eines Verkaufsverbotes für größere Lachgas-Kartuschen zur Vorsicht: In den Niederlanden, wo Lachgas seit Januar 2023 verboten ist, stieg die Zahl der wöchentlichen Explosionen in TAB von etwa vier auf rund 40 an, denn: Das zuvor existierende Pfandsystem wurde gleichzeitig mit dem Verbot abgeschafft, sodass ein Schwarzmarkt entstand und die konsumierten Kartuschen nicht mehr ordnungsgemäß bei Wertstoffhöfen, sondern im Restmüll entsorgt wurden.
Ähnliche Entwicklungen sind auch aus Frankreich, Schweden und Belgien bekannt, wo trotz vergleichbarer Verkaufsverbote große Kartuschen weiterhin im Umlauf sind. Allein in Frankreich belaufen sich die jährlichen Gesamtschäden auf 15 bis 20 Millionen Euro, in den Niederlanden sogar auf bis zu 65 Millionen Euro (Quelle: Bericht „Nitrous oxide canisters in WtE plants“, FEDENE/SVDU/FNADE, Oktober 2024).
Quelle: ITAD