Fachtag der Baustoffindustrie befasst sich in Filderstadt mit einer komplexen Rechtslage.
Zwischen Kreislaufwirtschaft einerseits und vorsorglichem Boden- und Grundwasserschutz andererseits suchen der Industrieverband Steine und Erden Baden-Württemberg e.V. (ISTE) und das Qualitätssicherungssystem Recycling-Baustoffe Baden-Württemberg e.V. (QRB) seit Jahrzehnten einen Weg, der für ihre gut 400 Mitglieder landesweit gangbar ist. Wie schmal und teils widersprüchlich dieser Grat in einem komplexen Rechtsstaat mit vielen Prüf- und Genehmigungsbehörden allerdings ist, referierten und diskutierten elf Experten beim 27. Baustoff-Recycling-Tag am 24. Oktober 2024 in Filderstadt.

Im Auditorium saßen rund 350 Betreiber von Kies- und Sandgruben, aus Erd- und Tiefbau, Abbruch und Recycling sowie Vertreter aus Politik, Aufsichtsbehörden, Ingenieurbüros sowie Forschung und Lehre. Ein zentrales Thema des Branchentreffs war der Erfahrungsaustausch über die seit mehr als einem Jahr geltende Mantelverordnung, die für die Steine- und Erdenindustrie bundesweit gilt. Deren Ziel im Kontext von Dekarbonisierung und EU-Taxonomie: Die Kreislaufwirtschaft in der Baubranche ausbauen; regionale Strukturen fördern, um Transportwege zu vermeiden sowie natürliche Ressourcen und den knappen Deponieraum schonen. „Wir verwerten bereits 97 Prozent der Bau- und Abbruchabfälle und ersetzen damit 13 Prozent an Primärrohstoffen“, sagte ISTE-Präsident Oliver Mohr, der selbst ein Kieswerk betreibt, in seiner Begrüßung. Landesweit liefert und verarbeitet seine Branche demnach pro Jahr 100 Millionen Tonnen mineralische Baustoffe wie Kies und Sand, davon sind mittlerweile 13 Millionen Tonnen recycelter Baustoff.
In der Debatte würden immer wieder Substitutions- und Verwertungsquote verwechselt oder gegeneinander ausgespielt
Dr. Bernd Susset, Fachreferent des Verbandes für Baustoffrecycling Boden- und Grundwasserschutz, ergänzte: „Recycling ist nicht nur, wenn das gebrauchte Steinchen von der 6. Etage wieder in die 6. Etage in den Hochbaubeton zurückwandert als rezyklierte Gesteinskörnung.“ Gebraucht werde das Material auch in Trag- und Frostschutzschichten im Straßenbau, bei Schutzwällen oder Bauwerkshinterfüllungen. Dennoch wird mehr neu gebaut als abgerissen; selbst wenn alles recycelt würde, reiche das nicht aus, um den Bedarf an Steinen zu decken. In der Debatte würden leider immer wieder Substitutions- und Verwertungsquote verwechselt oder gegeneinander ausgespielt.
Die Umsetzung der Mantelverordnung beziehungsweise der Ersatzbaustoffverordnung bereitet den Betrieben größere Probleme

Aktuell betreiben die Mitglieder laut Susset landesweit 186 Recyclingwerke. Dabei hält die Digitalisierung in die Branche Einzug: Im Zuge der Einführung der Mantelverordnung im August 2023 hatte der ISTE eine App entwickelt, mit der seine Mitglieder ihre Wertschöpfungsprozesse und die Stoffströme rechtssicher dokumentieren können. Eine Umfrage ergab, dass die Anwendung für Qualitätsmanagement für den Einsatz von Baustoffen (qeb.app) bei den Mitgliedern auf große Akzeptanz stößt. Dagegen bereitet die Umsetzung der Mantelverordnung beziehungsweise der Ersatzbaustoffverordnung den Betrieben größere Probleme: Das reicht vom bürokratischen Aufwand bis zu Wissensdefiziten in der Klassifizierung und Zulässigkeit der mineralischen Ersatzbaustoffe, auch bei den Behörden. Aktuell massive Absatzeinbußen seien nicht nur konjunkturell, sondern durch Fehlstellen in der Verordnung bedingt, erläuterte Christa Szenkler, die Vorsitzende der Fachgruppe Recycling-Baustoffe und Boden im ISTE, anhand einer aktuellen Umfrage unter den Mitgliedern.
Im Endspurt des Verordnungsprozesses wurden Fehler eingebaut
Bernd Susset, der an der Universität Tübingen viele Jahre das Regelwerk für das Umweltbundesamt und Bundesumweltministerium entwickelt hat, erläuterte, dass mit der Mantelverordnung erstmalig der vorsorgende Boden- und Grundwasserschutz fachbasiert gewährleistet wurde und die Materialqualität der RC-Baustoffe viel höher sei als nach allen Regelungen zuvor. Im Endspurt des Verordnungsprozesses wurden jedoch Fehler eingebaut, die das Recycling nun lokal zum Erliegen bringen. Materialien mit nie zuvor dagewesener Qualität dürften nun zum ersten Mal in der Regelungswelt der Bundesrepublik nicht mehr auf Böden aus Grundgebirge und Kies eingesetzt werden. Entlang der Flusslandschaften ist es damit effektiv nicht mehr möglich, mit recyceltem Material zu bauen.
Ein nicht vermittelbarer Widerspruch
Weitere Probleme sind nicht der Ersatzbaustoffverordnung geschuldet, sondern Bund-Länderpapieren, die nun unter anderem die neu geregelten und bestens untersuchten Materialien als wassergefährdend einstufen. Im gleichen Atemzug bleiben die alten Materialien nach den alten Regelungen nicht wassergefährdend. Dieser Widerspruch sei doch nicht vermittelbar, so Susset. Die Branche könne nicht auf reguläre Ausbesserungen des Bundes im Verordnungstext warten, die womöglich erst 2026 kommen werden. Bis dahin gehe ein ungemeines Potenzial der Kreislaufwirtschaft verloren.
So könne Kreislaufwirtschaft nicht hochgefahren werden

Andre Baumann, Umwelt-Staatssekretär in der Landesregierung, ermunterte die Zuhörer, sich bei strittigen Fällen direkt an sein Ministerium zu wenden. „Wir gehen dann jedem Einzelfall nach,“ versicherte der Politiker. Das betreffe auch Ausschreibungen, in denen etwa RC-Baustoffe benachteiligt würden. Bisher habe aber auch er aus seinen Behörden eher positive Signale vernommen. Fachanwalt Gregor Franßen aus Düsseldorf, der die Branche bundesweit beobachtet, merkte an: „Boden und Grundwasser werden mit der Verordnung hierzulande streng geschützt.“ Die Fehlstellen führten aber zu juristischen Unverhältnismäßigkeiten, die inakzeptabel sind. So könne Kreislaufwirtschaft nicht hochgefahren werden. Ihm sei kein Fall bekannt, in dem selbst die damals schlechter untersuchten, aber zu der Zeit noch zulässigen Ersatzbaustoffe auf vermeintlich kritischen Kiesböden das Grundwasser belastet hätten. Das bestätigten Baumann und Susset.
Der QRB-Vorsitzende Michael Knobel betonte: „Wir haben unsere Hausaufgaben gemacht und alle Materialien aufwendig untersucht und zertifiziert. Damit diese nicht weiter auf Halde liegen, müssen die Hemmnisse aus dem Weg geräumt werden. Das Angebot des Staatsekretärs, die Probleme übergangsweise im Einzelfall zu lösen nehmen wir gerne an: Packen wir es gemeinsam an und sind stolz auf das Erreichte!“
Quelle: ISTE