Zum 1. Februar startete das Projekt „Sozioökonomische, klimatische und ökologische Aspekte der Paludikultur“ (Paludi4All). Es zielt darauf, die Potenziale der Paludikultur für den Klima- und Umweltschutz sowie für Arbeitsplätze und Einkommen im ländlichen Raum sichtbar zu machen.
Die Fachagentur Nachwachsende Rohstoffe (FNR), Projektträger des Bundesministeriums für Ernährung und Landwirtschaft (BMEL), koordiniert das Projekt mit sieben Partnern aus fünf europäischen Ländern. Gefördert wird Paludi4All von der Europäischen Kommission mit 4,8 Millionen Euro über das Forschungsrahmenprogramm Horizont Europa.
Während der vierjährigen Projektlaufzeit sammelt das Paludi4All-Team verfügbare, relevante Daten und beleuchtet Aspekte und potenzielle Auswirkungen einer großräumigen Einführung der Paludikultur in Europa, sowohl volkswirtschaftlich als auch auf Betriebsebene. Dazu untersuchen die Forschenden bestehende und neue Wertschöpfungsketten auf Basis verschiedener Pflanzen und die Voraussetzungen für deren Markteinführung. Analysen aktueller Fördermechanismen und Rahmenbedingungen sollen potenzielle Hürden identifizieren und abbauen helfen. Ziel ist es, die Etablierung des Sektors zu unterstützen, ihn aber auch besser zu steuern und die verfügbaren Ressourcen effektiver und effizienter einzusetzen.
Einen besonderen Fokus legt das Paludi4All-Team auf Nachhaltigkeit. Dazu schätzt es die möglichen Auswirkungen von Paludikulturen auf Natur und Gesellschaft ab. Zum Projektende soll eine umfassende Datenbank zur Verfügung stehen, ergänzt durch räumliche Karten der für Paludikultur geeigneten Flächen mit Potenzialen für Emissionsminderung und Biomasseerzeugung.
Die Datenerhebung findet an ausgewählten Wissensstandorten statt. Dies können bereits etablierte Paludikultur-Standorte mit Torfmoos-, Rohrkolben- oder Rohrglanzgrasanbau sein. Auch traditionelle Erntegebiete, zum Beispiel mit Schilf in nassen Mooren, sind Gegenstand der Untersuchungen. Zudem stehen Regionen im Fokus, in denen Wissenschaftler und Praktiker innovative Produkte aus Paludikultur-Biomasse entwickeln, zum Beispiel Baumaterialen, Papier und Verpackungen sowie Substrate für den Gartenbau.
An diesen Wissensstandorten plant das Paludi4All-Team mehrere Workshops mit internationaler Beteiligung, um sich mit den dortigen Interessengruppen auszutauschen und sich intensiv mit den gesellschaftlichen Transformationsfragen zu befassen. Zusätzlich ist die enge Zusammenarbeit insbesondere mit zwei weiteren EU-geförderten Verbundvorhaben, „PaluWise“ und „Palus Demos“, geplant, die Paludikulturen auf größerer Fläche etablieren.
Ein zentraler Bestandteil im Projekt ist der interdisziplinäre Co-Creation-Ansatz, um landwirtschaftliche, wirtschaftliche und soziale Aspekte zu berücksichtigen und innovative Lösungen für die Skalierung der Paludikultur in Europa zu entwickeln.
Die Projektpartner:
Deutschland: Fachagentur Nachwachsende Rohstoffe e. V. (FNR), Universität Greifswald, Partner im Greifswald Moor Centrum, Thünen-Institut, Bundesforschungsinstitut für ländliche Räume, Wald und Fischerei
Niederlande: Radboud-Universität Nijmegen
Finnland: Natural Resources Institute (LUKE)
Großbritannien: Scotland’s Rural College (SRUC)
Polen: Institute of Technology and Life Sciences (ITP-PIB)
Was ist Paludikultur?
Der Begriff Paludikultur steht für die Nutzung nasser und wiedervernässter Moorböden. Der Ansatz bietet eine vielversprechende Alternative zur konventionellen Bewirtschaftung entwässerter Moorböden, die erhebliche Treibhausgasemissionen, Biodiversitätsverluste, Nährstoffausträge und Geländehöhenverluste verursacht. Mit Paludikulturen lassen sich Treibhausgasemissionen aus Mooren vermeiden. Gleichzeitig verschafft die produktive Nutzung Landwirten ein Einkommen. Aktuell wird Paludikultur jedoch erst an wenigen Pilotstandorten erprobt. Um ihr Potenzial für Klimaschutz und nachhaltige Landnutzung europaweit zu erschließen, muss sie in den kommenden Jahrzehnten weiterentwickelt und großflächig implementiert werden.
Eine komplexe Transformation
Die Paludikultur bietet große Chancen für eine nachhaltige Nutzung von Moorböden, ist jedoch mit vielfältigen Herausforderungen verbunden: Angefangen bei hydrologischen und pflanzenbaulichen Fragen über die Entwicklung neuer Wertschöpfungsketten bis hin zu Anpassungen politischer und rechtlicher Rahmenbedingungen sind noch viele Aufgaben zu lösen. Nicht zuletzt gilt es, die Eigentümer sowie die Bewirtschaftenden der derzeit noch trockengelegten Moorflächen für diese Innovation zu gewinnen.
EU-Klima Ziele: Das EU-Klimagesetz gibt das rechtsverbindliche Ziel vor, bis 2050 Klimaneutralität zu erreichen. Infolgedessen gilt es unter anderem, die Treibhausgasemissionen aus entwässerten Mooren zu minimieren. Die vollständige Wiedervernässung aller entwässerten Moorgebiete (ca. 120.000 – 130.000 km2 in der EU) würde bis 2050 eine jährliche Wiedervernässung von im Schnitt 500.000 Hektar erfordern.
Engagement für Moorbodenschutz
Klimawirksame Maßnahmen zum Schutz von Moorböden sind wichtiger Bestandteil des Klimaschutzpaketes der Bundesregierung. Das BMEL fördert über die FNR im Bereich Moorbodenschutz aktuell elf Forschungsverbünde mit 64 Teilvorhaben sowie vier Einzelvorhaben mit einem Volumen von insgesamt 80,5 Millionen Euro.
Fachinformationen zum Thema Moorbodenschutz stellt die FNR über das neue Themenportal moor.fnr.de zur Verfügung. Als Partner des Projektes Paludi4All unterstützt sie zudem die Weiterentwicklung des Konzeptes Paludikultur und die Verbesserung der Rahmenbedingungen für dessen Skalierung in Europa.
Quelle: FNR