Die Anforderungen an die Wasserwirtschaft wachsen: Blaue und Grüne Infrastruktur sind zusammen zu sehen. Klimawandel, Urbanisierung und digitale Technologien verändern die Rahmenbedingungen. Kanäle müssen nicht nur baulich saniert werden, sondern auch hydraulisch. Damit befasste sich die 22. Münchner Runde 2025 am 16. Oktober in Fürstenfeldbruck.
Das Expertenforum Kanalsanierung wurde in Expertenforum Wasser | Abwasser umbenannt. Wie Professor Wolfgang Günthert in seiner Einführung zur 22. Münchner Runde 2025 – mit 300 Teilnehmenden und 63 Ausstellern – erläuterte, sollten infolge des Klimawandels Blaue und Grüne Infastruktur zusammen und ganzheitlich gedacht werden. Die Fachtagungsreihe Münchner Runde richtet sich danach aus und hat nicht mehr nur Vorträge zur reinen Kanalsanierung und -instandhaltung im Programm, sondern im Kontext auch Entwässerung und Flächentsiegelung sowie die Schaffung von Schwammstädten und Grünflächen als Rückhalteraum für Wasser zum Thema. Kanäle müssen in Zukunft nicht nur baulich saniert werden, sondern auch hydraulisch.
„Wir müssen Wasser und Abwasser gemeinsam sehen, für uns nutzen und nicht einfach weglaufen lassen“, appellierte Günthert (Deutscher Expertenrat für Umwelttechnologie und Infrastruktur e. V.). „Die Veränderung des Klimas ist die große Herausforderung unserer Zeit. Mehr Niederschläge, Starkregen, Hochwasser, Überschwemmungen – und auf der anderen Seite Hitzewellen, Trocken- und Dürreperioden: Die Infrastruktur- und Städteplanung muss sich darauf einstellen, dass die Durchschnittstemperatur steigt und Extremwetterereignisse zunehmen werden.“
Auf neue Füße gestellt
Das Vortragsprogramm der Münchner Runde 2025 startete mit Dr. Martin Burger (Bayerisches Staatsministerium für Umwelt und Verbraucherschutz), der über die novellierte EU-Kommunalabwasserrichtlinie (KARL) und die damit einhergehenden Veränderungen informierte. So wurde der Rechtsrahmen für die europäische Siedlungswasserwirtschaft auf neue Füße gestellt und das bestehende Regelwerk aus dem Jahr 1991 umfassend erweitert.
Kernelelemente der KARL-Novellierung sind: integrierte Pläne für die kommunale Abwasserbewirtschaftung für Anlagen größer 10.000 Einwohner sowie deutlich verschärfte Grenzwerte für Phosphor und Stickstoff, eine vierte Reinigungsstufe in Kläranlagen zum Abbau von Spurenstoffen wie Arzneimittelrückständen aus dem Abwasser, eine geforderte Energieneutralität der Abwasserbehandlung bis zum Jahr 2045 und die Erweiterte Herstellerverantwortung. Diese sieht vor, dass die Kosten der vierten Reinigungsstufe verursachungsgerecht zu mindestens 80 Prozent von der Pharma- und Kosmetikindustrie übernommen werden müssen.
Schwammstädte sind Zukunftsvorsorge
Nach einer aktuellen Umfrage des Meinungsforschungsinstituts Civey im Auftrag der DWA sind 86 Prozent der Bevölkerung in Deutschland vom Schwammstadtkonzept überzeugt. Die Bürger wollen mehr Grün, Blau und Wasserrückhalt in ihren Wohnorten.
Die Vorträge von Thies Brunken (Uniola AG) und Sophia Badenberg (DWA-Landesverband Bayern) vertieften das Thema: Schwammstädte sind Zukunftsvorsorge – das zeigen unter anderem wegweisende Projekte in Mannheim, Kopenhagen, Nürnberg, Birsfelden, Zürich und Bern. In diesen Städten ergänzen Schwammstadtkonzepte das Entwässerungssystem und führen zu einem klimaangepassten Regenwassermanagement. Regenwasser wird lokal gespeichert, anstatt es abzuleiten. Versiegelte Flächen werden wieder zu Grünflächen. In der Stadt Bern ist zum Beispiel unter einem Kinderspielplatz ein Wasserrückhaltebecken angelegt worden.

Die Verbändekooperation „Wassersensibles Planen und Bauen“, eine Initiative der Bayerischen Architektenkammer, der Bayerischen Ingenieurekammer-Bau, des DWA-Landesverbandes Bayern und des Bayerischen Handwerkstages, setzt sich dafür ein, die Siedlungsentwicklung im Freistaat klimaresistenter und nachhaltiger zu gestalten, indem Wasser in die Planung integriert wird, um Hochwasser- und Starkregenereignissen vorzubeugen und die Folgen von Dürren zu mildern. Das „Schwammstadtprinzip“, bei dem Wasser aufgenommen, gespeichert und wieder abgegeben wird, kann gefördert werden. Wasser muss nach den Vorstellungen frühzeitig in der Regional- und Bauleitplanung von Siedlungen als auch bei der Planung von Gebäuden und Infrastruktur sowie letztlich bei der Bauausführung berücksichtigt werden: https://www.schwammstadt.bayern
KI unterstützt
Jonas Watzlowik (Dr.-Ing. Pecher und Partner Ingenieurgesellschaft mbH) erörterte, was Künstliche Intelligenz (KI) beim Aufbau eines Generalentwässerungsplans leisten kann – und was nicht. Zu den Stärken einer KI – so die Erfahrung – zählt die Mustererkennung in unstrukturierten Daten. Und das effizient in der Anwendung. Die Lösung komplexer und spezieller Aufgaben ist möglich, doch werden große Datenmengen für das Training der KI benötigt. Training und Validierung sind mit Aufwand verbunden. Weitere Schwachstellen einer KI sind Inkonsistenz und Fehleranfälligkeit. KI unterstützt, ersetzt aber keine programmierte Software, konstatierte Watzlowik.
Teilnehmer der Münchner Runde verwiesen an dieser Stelle auf das Entwicklungspotenzial von KI – dass hier Lösungen schon zum Beispiel erfolgreich in der Kanalinspektion zur Schadensermittlung eingesetzt werden. So lassen sich Aussagen treffen, welche Schäden zu erwarten sind und wann sie eintreten können. Ingenieure können daraus für Kanalsanierungsprojekte Daten gewinnen oder eine ganze Sanierungsplanung darauf aufbauen. Ein spannendes Thema für Planer und Ingenieure, das weiter beobachtet wird.
Fortschrittliche Lösungen
In den letzten Jahren ist es zu zahlreichen Rechtsstreitigkeiten in Fällen gekommen, in denen öffentliche Kanäle beziehungsweise öffentliche Wasserversorgungsleitungen bereits vor längerer Zeit in Privatgrundstücke verlegt wurden. Die Leitungsverlegungen erfolgten in der Vergangenheit oftmals ohne rechtliche Sicherungen. Dr. Rainer Döring (Döring Spieß Rechtsanwälte) berichtete von Streitfällen und stellte Möglichkeiten zur Streitlösung vor. Empfohlen wird der Leitungseinbau in öffentlichem Grund beziehungsweise die Eintragung von Grunddienstbarkeiten.
Dresdens Chipindustrie bekommt einen großen Abwasserkanal. Ulf Uhlig (Aquaproject Consult Ingenieurgesellschaft mbH) zeigte die Besonderheiten bei Planung und Bau des sogenannten Industriesammlers Nord (ISN) auf, der künftig das Abwasser zur Kläranlage Dresden-Kaditz in einer Freigefälle-Druckleitung leitet.
Nach der Mittagspause hatten Fachfirmen die Bühne und Gelegenheit, ihre Produkte und Dienstleistungen vorzustellen. Die traditionellen Unternehmenspräsentationen im Fünf-Minuten-Takt wurden wieder von Professor Bert Bosseler (IKT gGmbH) moderiert, der auch durch das Nachmittagsprogramm der Münchner Runde 2025 mit weiteren Vorträgen führte.
Matthias Falk in Vertretung von Reinhard Brodrecht (Spekter GmbH) befasste sich hier mit den Gefahren von Starkregen. Das Softwareunternehmen Spekter in Herzogenaurach hat dazu ein Frühalarmsystem entwickelt, mit dem Kommunen bereits gute Erfahrungen machen. Die fortschrittliche Lösung wacht über Gemeinden und warnt frühzeitig Bürger und Rettungskräfte vor Starkregenereignissen.
Nur von Fachbetrieben
Ein Dauerthema in der Kanalsanierung ist der Umgang mit Asbestfaserzementrohren, wie sie in Deutschland als Abwasser- und Trinkwasserrohre immer noch im Einsatz sind. Allein in der unterirdischen Infrastruktur Bayerns erstrecken sich AZ-Rohre schätzungsweise auf einer Länge von 5.000 Kilometern.
Roland Fischer (ISAS GmbH) informierte, was nach den Vorschriften zum Schutz der Gesundheit zu beachten ist. So dürfen Abbruch-, Sanierungs- und Instandhaltungsarbeiten an asbesthaltigen Materialien nur von Fachbetrieben durchgeführt werden. Bei den Arbeiten muss mindestens eine weisungsbefugte sachkundige Person vor Ort tätig sein. Sachkundenachweise gelten für den Zeitraum von sechs Jahren. Vor Beginn der Arbeiten muss für alle daran Beteiligten eine Arbeitsmedizinische Pflichtvorsorge durchgeführt worden sein.
Schäden frühzeitig erkennen
Der Vortrag von Prof. Thomas Braml (Universität der Bundeswehr München) beleuchtete mit Bezug zu Entwässerungsbauwerken aktuelle Entwicklungen bei der Bauwerksprüfung nach DIN 1076. Die Norm schreibt die regelmäßige Untersuchung von Ingenieurbauwerken wie Brücken, Tunneln und Stützwänden vor, um deren Stand- und Verkehrssicherheit zu gewährleisten. Sie regelt die Prüfungsmethoden, Prüfzyklen und die Anforderungen an das Personal und stellt sicher, dass Schäden frühzeitig erkannt und behoben werden. Zu den festgelegten Prüfungen gehören jährliche Besichtigungen sowie Hauptprüfungen alle sechs Jahre, zu denen der Baulastträger verpflichtet ist.
„Wie viele Sensoren kommen heute typischerweise beim Schlauchliner-Einbau zum Einsatz“, fragte Daniel von Bernstorff (Syscribe GmbH) die Zuhörer – um gleich selbst die Antwort zu geben: Mehr als 15. Das Unternehmen Syscribe in Hamburg ist auf die sensorgesteuerte Qualitätssicherung bei Schlauchlinern spezialisiert und entwickelt dafür smarte Messtechnologien. In der Realität wird die empfohlene Einbautemperatur von 80 Grad häufig deutlich unterschritten. Die Lösungen von Syscribe sind von den Grundsätzen geleitet: Qualität wird produziert, nicht kontrolliert. Richtige Entscheidungen in der Planung und Ausschreibung legen das Fundament, nicht die Baustelle. Sensoren sind das Auge in diesem Prozess, aber nicht das Gehirn und die jeweils ausführende Hand. Eigenes Denken und Handeln bleiben entscheidend. KI und Co. assistieren nur.
Impulse für die Praxis
Die Münchner Runde 2025 – Expertenforum Wasser | Abwasser vermittelte wieder nützliches Wissen aus der Praxis für die Praxis. „Man kriegt ganz viele, verschiedene Impulse und Lösungen zu Problemstellungen, die man aktiv in den eigenen beruflichen Alltag einbringen kann“, bestätigte auch Stefanie Stiegler (InfraServ GmbH & Co. Gendorf KG) im Filminterview das hohe Niveau der Vorträge mit Networking als Leitfaden. Denn das zeichnet die Fachtagungsreihe Münchner Runde aus: Hier trifft sich die Kanalsanierungsbranche und Wasserwirtschaft zum Erfahrungs- und Meinungsaustausch. Topaktuelle Sachverhalte werden aufgegriffen, wissenschaftlich vertieft, kritisch hinterfragt und auch kontrovers diskutiert.

Praxis wird zudem großgeschrieben – und so machten heuer 63 Unternehmen das Thema Entwässerung erlebbar. Das Veranstaltungsforum Fürstenfeld mit seinem besonderen Ambiente ist einfach die ideale Location für die Präsentationen der Münchner Runde, die auch immer mehr junge Leute anspricht. „Meet the Practice“ ist hier das Angebot für Azubis und Studierende, die später als Facharbeiter, Techniker oder Ingenieure arbeiten wollen. Im Rahmen des Expertenforums können junge Menschen Einblicke in Berufe mit Zukunft gewinnen, mit Branchenprofis ins Gespräch kommen und sich informieren, wie es in der Praxis läuft.
„Dann sind wir auf dem richtigen Weg“
Professor Wolfgang Günthert verwies in diesem Zusammenhang auf den Fachkräftemangel, der auch die Kanalbranche betrifft. Um die Zukunft der Wasser-Kreislaufwirtschaft zu sichern, sind neue Wege in der Nachwuchsförderung und Personalgewinnung gefragt, bemerkte der Moderator der Münchner Runde zum Abschluss des diesjährigen Expertenforums. Die Herausforderung Klimwandel braucht Fachleute, die ihr Tun und Handeln nicht nur sektoral ausrichten – das heißt nur auf Kanal oder Landschaftspflege.
„Blaue und Grüne Infrastruktur ist die Zukunft eines resilienten Entwässerungssystems. Man kann wunderbar Landschaftsplanung und Entwässerungssysteme kombinieren und dabei Synergien schaffen“, machte Günthert deutlich: „Wir müssen künftig mehr gemeinsam und multifunktional denken. Dann sind wir auf dem richtigen Weg.“
Das Filmteam der Münchner Runde unter der Moderation des Journalisten Marc Szombathy hat die Highlights der 22. Münchner Runde 2025 festgehalten und wieder bewegte Bilder von den Aussteller-Präsentationen gesammelt – zu sehen auf: https://www.muenchner-runde.de
Die 23. Münchner Runde findet am 15. Oktober 2026 in Fürstenfeldbruck statt.
Veranstalter der Fachtagungsreihe Münchner Runde – Expertenforum Wasser | Abwasser ist das Ingenieurbüro Dörschel (Inning am Ammersee) in Kooperation mit dem DWA-Landesverband Bayern und Reg. Baum. Prof. Dr.-Ing. F. Wolfgang Günthert.
Quelle: Münchner Runde – Expertenforum Wasser | Abwasser / Ingenieurbüro Dörschel




