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PFAS: „Politik muss Einfluss der Industrie auf Prozess zur Beschränkung unterbinden“

Eine Recherche von 46 Journalisten aus 16 Ländern zeigt, dass die Chemieindustrie eine gezielte Lobby- und Desinformationskampagne betreibt. Sie richtet sich gegen eine umfassende Beschränkung der gefährlichen per- und polyfluorierten Alkylsubstanzen (PFAS) und ignoriert die enormen Kosten der PFAS-Verschmutzung für die Gesellschaft.

Es kommentiert Manuel Fernández, Referent für Stoffpolitik beim Bund für Umwelt und Naturschutz Deutschland (BUND):

„Die Chemieindustrie beeinflusst Entscheidungsträger der EU-Kommission massiv, um die PFAS-Beschränkung entscheidend abzuschwächen oder gleich ganz zu kippen. Sie setzt dabei auf Panikmache, haltlose Behauptungen und industriefinanzierte Studien. Mit ihren fadenscheinigen Argumenten manipuliert die Industrie die politische Debatte rund um den PFAS-Beschränkungsprozess.

Selbst industriefreundliche Entscheidungen der EU-Kommission wurden bei persönlichen Treffen zwischen EU-Kommission und Chemielobby in Aussicht gestellt. Dabei hat die EU-Kommission derzeit formal nur Beobachterstatus und darf der Arbeit der Europäischen Chemikalienagentur nicht vorgreifen! Ein Eklat, der nach einem sofortigen Stopp solcher Treffen schreit.

Geld ist für die massive Einflussnahme durch private und kommerzielle Interessen offenbar genügend vorhanden: Um satte 34 Prozent haben die PFAS-produzierenden Unternehmen im Schnitt ihre Lobbyausgaben auf EU-Ebene im vergangenen Jahr erhöht. Allein bei Plastics Europe sind es offiziell deklarierte fünf Millionen Euro pro Jahr. Damit werden Beratungsfirmen, Kanzleien sowie industriefreundliche Gutachten und Studien finanziert. Geld, das die Unternehmen besser in die Entwicklung sicherer Ersatzstoffe stecken sollten. Die EU-Kommission muss nun die Entwicklung von sicheren Alternativen vorantreiben und unabhängige Forschung fördern, um zu ausgewogenen politischen Entscheidungen zu kommen.“

Hintergrund:

PFAS sind extrem langlebig und reichern sich in immer höheren Konzentrationen an. Dies wirkt sich gravierend auf die Gesundheit und die Umwelt aus. Alle Menschen, selbst ungeborene Babys, haben PFAS im Körper. Die Belastung mit diesen Stoffen wird unter anderem mit Krebserkrankungen, Leberschäden und Hormonstörungen in Verbindung gebracht. PFAS kommen in Lebensmitteln und im Trinkwasser vor. Sie finden sich auch in den meisten Böden, Flüssen und in der Atemluft – selbst in den entlegensten Regionen der Erde.

Im Rahmen des „Forever Pollution Project“ wurden im vergangenen Jahr allein in Europa 23.000 PFAS-belastete Standorte identifiziert, von denen mehr als 2.100 Orte zu hoch belasteten „PFAS-Hotspots“ erklärt wurden. Dasselbe journalistische Netzwerk verantwortet auch die obengenannte Recherche des „Forever Lobbying Project“, die Corporate Europe Observatory veröffentlicht hat. Dafür wurden 14.000 bisher unveröffentlichte Dokumente zu den „Ewigkeitschemikalien“ PFAS ausgewertet.

Die Arbeit umfasste die Einreichung von 184 Anfragen nach dem Informationsfreiheitsgesetz an die Generaldirektionen der EU-Kommission, die Europäische Chemikalienagentur und die Ständigen Vertretungen der Mitgliedstaaten in Brüssel. Neben der Offenlegung fragwürdiger Lobbyaktivitäten, wurden in dem Projekt auch die Sanierungskosten für die Belastung durch die aktuellen PFAS-Emissionen berechnet. Diese belaufen sich nach Angaben der Autoren auf konservativ geschätzte zwei Billionen Euro für die kommenden 20 Jahre. Nicht beziffern lässt sich das menschliche Leid, das durch die PFAS-Belastung an hoch kontaminierten Orten und in der PFAS-produzierenden und verarbeitenden Industrie verursacht wird. Wegen der gravierenden Gesundheitsrisiken hat der BUND eine Petition an das Bundesgesundheitsministerium gestartet. Bereits über 55.000 Menschen fordern das Ministerium auf, sich entschieden für eine EU-weite Beschränkung von PFAS einzusetzen.

Quelle: Bund für Umwelt und Naturschutz Deutschland e. V. (BUND, Stellungnahme)

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