Schwere Baumaschinen und Roboter, die autonom die Umgebung kartieren, Objekte greifen und transportieren: Das Kompetenzzentrum Robdekon hat am 23. und 24. Oktober einem Fachpublikum seine Technologien der autonomen Dekontaminationsrobotik präsentiert.
Rund 50 Experten der Energie- und Altlastenbranche konnten die Roboter in Live-Demonstrationen erleben, selbst steuern und sich über den fortgeschrittenen Entwicklungsstand informieren. In diesem Jahr fand das Branchentreffen am Robotics Innovation Center des Deutschen Forschungszentrums für Künstliche Intelligenz (DFKI) in Bremen statt.
Den Mensch aus der Gefahrenzone fernhalten
Im Fokus stand die die Zusammenarbeit autonomer Systeme im Team: Unterschiedliche Roboter kommunizieren miteinander und lösen gemeinsam komplexe Dekontaminationsaufgaben. Beispielsweise können die Maschinen eine unbekannte Umgebung erkunden, kartieren und potenziell verseuchte Objekte einsammeln, Bodenschichten abtragen oder kontaminierte Oberflächen abfräsen. Die ambitionierte Vision der Robdekon-Forschenden ist eine durchgängig automatisierte Dekontaminationskette: Der Mensch soll nur noch den grundlegenden Auftrag erteilen, während die Maschinen dann selbstständig die notwendigen Arbeitsschritte planen und durchführen. Aber auch bevor diese vollständige Automatisierung umgesetzt ist, ermöglichen die Robdekon-Technologien, den Mensch aus der Gefahrenzone fernzuhalten und ihm die Arbeit stark zu erleichtern.
Bei der Partizipationsveranstaltung in Bremen stellten die Robdekon-Partner den Stand der Entwicklungsarbeiten vor und tauschten sich mit dem Publikum über konkrete Anwendungsfälle und technologische Herausforderungen aus. Ein Highlight waren die Live-Demonstrationen, bei denen die Teilnehmenden selbst mit den Systemen interagieren konnten:
Teleoperation aus mobilem Leitstand: Im Leitstand des DFKI wurde das Lagebild des Einsatzortes dargestellt. Menschliche Operatoren konnten so auch über größere Distanzen Baumaschinen teleoperieren und heterogene Systeme bei der (teil-)autonomen Ausführung der Aufgaben überwachen.
Lagebildvisualisierung in VR: Der Lehrstuhl Intelligente Sensor-Aktor-Systeme (ISAS) am Karlsruher Institut für Technologie (KIT) ermöglicht eine Visualisierung des Lagebilds vom DFKI-Leitstand auf verschiedenen Endgeräten. Die Visualisierungssoftware iviz ermöglicht ein hoch-immersives Benutzererlebnis.
Assistenz für Baumaschinen durch mobile Robotersysteme: Die autonomen Laufroboter Spot des Fraunhofer IOSB und Fraunhofer IOSB-AST erkundeten das Gelände und das Gebäude mit verschiedenen LiDAR-Sensoren. Der Bagger Arter hatte damit Zugriff auf eine gemeinsam aufgenommene Karte, aus der Informationen über die Befahrbarkeit und Hindernisse auf dem Gelände abgeleitet werden können.
KI-assistiertes Greifen von Fässern mit einem Bagger: Der autonome Bagger Alice von Robdekon ermöglicht Besuchern teleoperiertes Fassgreifen. Der Bagger in Karlsruhe sendet Live-Kamerabilder und erkannte Fässer online nach Bremen. Besucher wählen ein Fass, das der Bagger per 3D-Schätzung greift.
Die Multi-Roboter-Kartierung für die Handhabung von Gefahrstoffen: Das intuitiv aus Bremen steuerbare Multi-Roboter-Team des FZI Forschungszentrum Informatik erzeugt ein Lagebild der Situation in Karlsruhe und unterstützt den Menschen bei der Gefahrstoffbergung.
Gezeigt wurde auch die Teleoperation des DekontBot des KIT-Instituts für Technologie und Management im Baubetrieb (TMB), der künftig beim Rückbau von Kernkraftwerken kontaminierte Stellen abfräsen soll oder in einem anderen Aufbau zur Freimessung der behandelten Stellen dienen soll. Aus dem Teleoperations-Leitstand der Götting KG steuerten Bediener in Bremen per Videoübertragung den automatisierten Gabelstapler in Hannover, um potenzielles Gefahrgut sicher und präzise zu transportieren.
Die Gäste in Bremen unterstützten den humanoiden Dekontaminationsroboter Armar-De des KIT-Lehrstuhls High Performance Humanoid Technologies (H2T) bei der Auswahl von geeigneten Griffen zur Handhabung unbekannter Anlagenteile. Der Roboter GammaBot der Hochschule Karlsruhe kann präzise 3D-Modelle von Gebäuden mittels Laserscanner erstellen. Für den Rückbau kerntechnischer Anlagen bestimmt er hierbei zusätzlich die Ortsdosisleistung.
Einsätze in realer Umgebung laufen
Das Kompetenzzentrum „Robotersysteme für die Dekontamination in menschenfeindlichen Umgebungen“ (Robdekon) wird seit 2018 vom Bundesministerium für Bildung und Forschung gefördert und wendet die erzielten Forschungsergebnisse derzeit in ersten Pilotprojekten an. Weitere Testeinsätze sind geplant und Kooperationspartner dafür werden teilweise noch gesucht, wie Dr. Janko Petereit, Wissenschaftler am Fraunhofer IOSB und Robdekon-Koordinator, auf der Partizipationsveranstaltung erklärte: „Die Testläufe in einem Steinbruch oder auch im Umfeld von Kernkraftwerken haben gezeigt, dass unsere Systeme die ihnen zugewiesenen Aufgaben autonom und erfolgreich in realen Einsatzszenarien absolvieren können. Durch solche Praxistests gewinnen wir neue Trainingsdaten und machen Erfahrungen, die uns helfen, unsere Systeme robuster zu machen. Wir freuen uns über die Kontaktaufnahme weiterer Interessenten, die dies in ihrem Umfeld erproben möchten.“
Lösungen für komplexe Dekontaminationsaufgaben
Der Rückbau und die Dekontamination von kerntechnischen Anlagen, die Sanierung von verseuchten Altlasten und Deponien oder die Bergung von Gefahrstoffen stellt die betreibenden Unternehmen vor große Herausforderungen, die von Robdekon gelöst werden können. Dafür haben die Verbundpartner aus Forschung und Industrie unterschiedliche Robotersysteme entwickelt, die gezielt Aufgaben autonom oder teleoperiert übernehmen können, um den Menschen bei gefährlichen Einsätzen zu entlasten. Die (teil-)autonomen Technologien und die fachliche Expertise von Robdekon ermöglichen auch die Dekontamination von Orten, die bisher unerreichbar oder schwer zugänglich waren. Die nächste Robdekon-Partizipationsveranstaltung wird voraussichtlich im Herbst 2025 stattfinden.
Quelle: Fraunhofer IOSB