Am 18. November haben sich die Europäische Kommission und Vertreter der Mitgliedstaaten auf neue Ökodesign-Anforderungen für Smartphones und Tablets geeinigt. Neue EU-Regeln sollen IT-Geräte langlebiger und reparierbarer machen. Die EU-Kommission hat bisher noch keine Informationen über das Ergebnis der Abstimmung veröffentlicht.
Die Right to Repair Europe-Kampagne hat Zugriff auf ein unveröffentlichtes Dokument über die finale Einigung, sodass der Verein Runder Tisch Reparatur eine erste Analyse der Ergebnisse veröffentlichen kann: „Die Einführung von Regeln für die Reparierbarkeit dieser Produkte ist zwar ein erster wichtiger Schritt, wir bedauern aber die verpasste Chance, Grundlagen für ein echtes Recht auf Reparatur einzuführen.“
In puncto Reparierbarkeit werden Hersteller verpflichtet, professionellen Reparateuren und Verbrauchern mindestens sieben Jahre lang nach dem Ausscheiden eines Produkts vom Markt Zugang zu Reparatur- und Wartungsinformationen und Ersatzteilen zu gewähren. Auch Software-Updates müssen mindestens fünf Jahre lang zur Verfügung gestellt werden. Die fast endgültige Fassung des vereinbarten Textes, den die Right to Repair Europe-Kampagne erhalten hat, ist nach Auffassung jedoch nicht ehrgeizig genug, um ein allgemeines Recht auf Reparatur zu gewähren und die Ziele des Green Deal zu erreichen.
Als Verfechter des Rechts auf Reparatur zeigen sich der Runde Tisch Reparatur und die Right to Repair Europe-Kampagne besorgt darüber, dass die nun abgestimmten Regeln Hersteller nicht daran hindern werden, Software-Praktiken einzusetzen, mit denen sie unabhängige Reparaturen einschränken. Auch die hohen Preise für Ersatzteile werden nicht angegangen. Außerdem wird das Angebot an Ersatzteilen, das Verbrauchern und Reparaturinitiativen zur Verfügung steht, stark eingeschränkt.
„Die EU-Mitgliedstaaten haben die Chance, die vor ihnen lag, nicht genutzt“
Katrin Meyer vom Runden Tisch Reparatur e. V. erklärte dazu: „Die Ökodesign-Anforderungen hätten das Potenzial gehabt, Reparaturen für Smartphones einfacher und günstiger zu machen. Doch die EU-Mitgliedstaaten haben die Chance, die vor ihnen lag, nicht genutzt. Die neuen Anforderungen sind gut und wichtig. Doch Hersteller können unabhängigen Reparaturwerkstätten und Verbraucher*innen auch in Zukunft Steine in den Weg legen, wenn diese die Lebensdauer von Smartphones verlängern möchten. Jetzt ist die Bundesregierung in der Pflicht, sich auf EU-Ebene für faire und kostengünstige Reparaturbedingungen einzusetzen und ihren Einfluss zu nutzen, um reparatur-behindernde Praktiken wie die Serialisierung zu verbieten. Auch das nationale Aktionsprogramm Reparieren, dessen Veröffentlichung sich immer weiter verzögert, muss zeitnah und mit konkreten und wirkungsvollen Maßnahmen für die Förderung der Reparatur vorgestellt werden.“
Mathieu Rama von der Environmental Coalition on Standards (ECOS) erklärte: „Heutzutage halten Smartphones und Tablets kaum noch länger als zwei Jahre. Wir erwarten von den neuen Ökodesign-Vorschriften, dass sie dafür sorgen, dass unsere Geräte viel länger halten – das wird sich mit der Zeit zeigen. Verbraucher*innen werden beispielsweise in der Lage sein, ihre Akkus mit Hilfe einer professionellen Reparaturwerkstatt auszutauschen oder dies in einigen Fällen sogar selbst zu tun. Die neuen Vorschriften sind jedoch nicht perfekt. Die EU ist nicht so weit gegangen, den Menschen ein echtes Recht auf Reparatur zuzugestehen: Hersteller und Einzelhändler werden nach wie vor die Kontrolle darüber behalten, wer ihre Geräte durch Serialisierung repariert.“
Orla Butler vom Europäischen Umweltbüro (EEB) erklärte: „Obwohl einige Verbesserungen am endgültigen Text vorgenommen wurden, sind die Verzögerungen und die abgeschwächten Regeln insgesamt enttäuschend. Besonders enttäuschend ist die Aufhebung der Verpflichtung der Hersteller, einen Maximalpreis für Ersatzteile anzugeben und einzuhalten. Angesichts der explodierenden Lebenshaltungskosten müssen Verbraucher*innen in der Lage sein, ihre Geräte zu erschwinglichen Preisen zu reparieren. Die politischen Entscheidungsträger müssen jetzt mehr denn je die Verbraucher schützen, indem sie die Preise für Ersatzteile durch den neuen Reparaturscore, der im Dezember fertiggestellt wird, transparent machen.“
Ugo Vallauri von The Restart Project erklärte: „Die Europäerinnen und Europäer wollen ein universelles Recht auf Reparatur ihrer Smartphones und Tablets. Bedauerlicherweise bekommen sie das mit dieser lang erwarteten Verordnung nicht. Zum ersten Mal müssen Ersatzteile, Reparaturinformationen und Software-Updates langfristig zur Verfügung gestellt werden. Die Vorschriften gehen jedoch weder auf die Erschwinglichkeit von Reparaturen, noch auf den notwendigen Zugang von Verbrauchern und Reparaturinitiativen zu allen Ersatzteilen und die Verwendung von Software durch Hersteller ein, mit denen diese die Verwendung von wiederverwendeten Teilen und Teilen von Drittanbietern einschränken. Wir werden solche Praktiken weiterhin anprangern und die EU auffordern, alle verbleibenden Hindernisse für die Reparatur zu beseitigen.“
Hintergrund: Ein Blick auf die gravierendsten Schwachstellen, die von den Mitgliedstaaten nicht beseitigt wurden
Die neuen Vorschriften sollen die Umweltauswirkungen von Telefonen und Tablets verringern. Sie enthalten Anforderungen an Haltbarkeit und sollen die Reparierbarkeit und Zuverlässigkeit dieser Geräte verbessern. Dies ist das erste Mal, dass derartige Vorschriften für diese Produktkategorie gelten, das heißt sie geben den Ton für künftige Regelungen für andere IKT-Produkte wie Computer und Drucker an. Im Dezember wird das Expertengremium der Mitgliedstaaten außerdem über die Einführung einer Kennzeichnung für Smartphones und Tablets entscheiden. Es wird erwartet, dass ein solches Label eine Reparaturbewertung und vergleichende Informationen über die Zuverlässigkeit dieser Geräte enthalten wird.
Informationen über den Preis von Ersatzteilen immer noch mangelhaft
Der Preis von Ersatzteilen ist ein Schlüsselfaktor für die Entscheidung von Verbrauchern, ob sie ein Smartphone reparieren oder ersetzen wollen. Die Hersteller müssen jedoch nur Richtpreise vor Steuern für Ersatzteile angeben. Das bedeutet, dass sie immer noch von den Preisen abweichen können, mit denen sie beim Verkauf werben. Die Right to Repair Europe-Kampagne besteht darauf, dass es gerade deshalb besonders wichtig ist, den Preis von Ersatzteilen in die Bewertung der Reparierbarkeit von Smartphones und Tablets einzubeziehen, die im derzeitigen Entwurf fehlt (über den die nationalen Experten im Dezember noch abstimmen müssen).
Hersteller dürfen Reparatur durch Serialisierung blockieren
Die Kopplung von Teilen wird zunehmend eingesetzt, um zu kontrollieren, wer bestimmte Arten von Reparaturen durchführen darf und wer nicht. Ermöglicht wird dies durch die Serialisierung von Ersatzteilen. Right to Repair Europe hat sich für ein vollständiges Verbot dieser Praxis eingesetzt. Laut dem angenommenen Text ist sie jedoch weiterhin zulässig. Nach Inkrafttreten der Verordnung muss die unabhängige Reparaturwerkstatt oder der Refurbisher den Hersteller benachrichtigen und eine Reparaturgenehmigung beantragen, wenn eines dieser Teile ausgetauscht werden muss. Dies schränkt die Möglichkeiten von Verbrauchern und professionellen Reparaturbetrieben ein, nicht-originale Ersatzteile zu verwenden und möglicherweise auch die Funktionalität der ausgetauschten Ersatzteile. Der Zugang zu Ersatzteilen und Reparaturinformationen ist nach wie vor eingeschränkt und wird weiter verzögert.
Die Vorschriften verpflichten Hersteller dazu, professionellen Reparaturbetrieben eine spezifische Liste von 15 Ersatzteiltypen zur Verfügung zu stellen. Für Verbraucher und Repair Cafés ist die Liste wesentlich kürzer, da sie nur Zugang zu fünf Arten von Ersatzteilen haben, ausgenommen zum Beispiel Kamerabaugruppen und externe Audioanschlüsse. Wenn Hersteller bestimmte Anforderungen an die Haltbarkeit der Akkus erreichen, werden auch die Akkus für Verbraucher nicht zugänglich müssen. Um Zugang zu Ersatzteilen und Reparaturinformationen zu erhalten, müssen Verbraucher nach Inkrafttreten der Verordnung 21 Monate warten, also mindestens bis Ende 2024. Dies ist eine Verzögerung von neun Monaten im Vergleich zu dem, was die Kommission ursprünglich vorgeschlagen hatte; aber wir nähern uns 7-Jahres-Geräten.
Der einzige Silberstreif am Horizont ist die Verlängerung des Zeitraums, in dem professionelle Reparateure und Verbraucher Zugang zu diesen Ersatzteilen haben werden: Sieben Jahre statt der ursprünglich geplanten fünf Jahre. Da jedoch Sicherheitsupdates nur noch fünf Jahre lang zur Verfügung stehen, wird die Möglichkeit der EU-Verbraucher, ihre Geräte sieben Jahre lang zu nutzen, ernsthaft beeinträchtigt. Außerdem wird für diese zwei zusätzlichen Jahre (in denen die Wahrscheinlichkeit eines Ersatzteilausfalls am größten ist) die maximale Lieferzeit für Ersatzteile von fünf auf zehn Tage erhöht. Wenn man bedenkt, wie abhängig wir tagtäglich von unseren Telefonen sind, bedeutet eine 10-tägige Verzögerung beim Zugang zu einem Ersatzteil wahrscheinlich, dass Verbraucher ihre Telefone lieber austauschen, als zu warten, und damit den Elektroschrott erhöhen.
Nächste Schritte
Der Text wird auf Tippfehler überprüft, übersetzt und dem Europäischen Parlament und dem Rat der EU für eine dreimonatige Prüfung übermittelt. Diese beiden Institutionen werden keine Änderungen an dem Vorschlag vornehmen, sondern ihn nur bestätigen oder ablehnen können. Nach der Bestätigung werden die Ökodesign-Anforderungen im Amtsblatt der EU veröffentlicht und treten 20 Tage später in Kraft – voraussichtlich in der ersten Hälfte des Jahres 2023.
Quelle: Runder Tisch Reparatur e. V.