Prof. Dr. Rolf J. Langhammer, Handelsexperte am IfW Kiel, kommentiert vor dem Hintergrund der Diskussion um ein Öl-Embargo die Widerstandsfähigkeit der russischen Volkswirtschaft:
„Hoffnungen auf ein zeitnahes Einlenken Russlands im Ukraine-Krieg angesichts der einschneidenden westlichen Sanktionen dürften enttäuscht werden. Sowohl die Situation des Staatshaushalts als auch strukturelle Besonderheiten der russischen Wirtschaft schaffen gute Ausgangsbedingungen für ein längeres Durchhalten einer auf Autarkie setzenden Kriegswirtschaft.
Russland hat in den vergangenen Jahren sichtbare Erfolge beim Aufbau einer stabilen Finanzlage erreicht. Dazu gehören eine im internationalen Vergleich sehr niedrige öffentliche Verschuldung (bei 20 Prozent des Bruttoinlandsprodukts), hohe Ersparnisse, eine zurückhaltende Ausgabenpolitik und eine starke Reservebildung. Das hatte auch der Internationale Währungsfonds (IWF) in seinem jüngsten Bericht zur makroökonomischen Situation Russlands (veröffentlicht im Januar 2021) dem Land attestiert. Er verwies außerdem auf Erfolge Russlands, sich unabhängiger vom Dollar zu machen. Hinzu kommen derzeit steigende Erlöse aus Energieexporten in Länder, die sich den Sanktionen verschließen oder, wie Deutschland, ihre Käufe teilweise noch aufrechterhalten. Der jetzige Ölpreis liegt weit über dem vom IMF geschätzten notwendigen Preis für einen ausgeglichenen russischen Haushalt von 10 bis 15 US-Dollar. Ein Öl-Embargo der EU dürfte dies zunächst nicht entscheidend ändern.
Strukturell helfen Russland die geringe Bedeutung des privaten Dienstleistungssektors und das hohe Ausmaß geschützter Beschäftigung im öffentlichen Sektor. Diese Beschäftigten sind der Garant für die politische Unterstützung Präsident Putins im eigenen Land und werden bevorzugt alimentiert, das heißt durch Preiskontrollen oder Einkommenshilfen vor den Folgen des Inflationsanstiegs geschützt. Das Entstehen von Schwarzmärkten wird die Regierung massiv bekämpfen, da diese die Gesellschaft spalten und den politischen Rückhalt schwächen könnten.
Die längerfristig mit Sicherheit eintretenden sehr negativen Folgen des Ausfalls wichtiger und unersetzbarer Kapitalgüter aus dem Ausland werden die russische Wirtschaft nicht schnell in den Untergang treiben. Der Westen wird langes Durchhaltevermögen zeigen müssen.“
Quelle: IfW Kiel/Prof. Dr. Rolf J. Langhammer