Interview mit Bernd Franken vom Unternehmen Ecocalor und bvse-Referent Dr. Thomas Probst.
Autoreifen gehören nicht in den Müll und erst recht nicht in die Landschaft, sie müssen fachgemäß entsorgt und recycelt werden. In Deutschland gibt es ein Netz von Recycling- und Entsorgungsspezialisten, die sich darum kümmern. Denn die falsche oder gar kriminelle Entsorgung von Altreifen gefährdet die Umwelt und verschwendet wertvolle Ressourcen.
Dennoch befindet sich das Reifenrecycling in Deutschland in schwerem Fahrwasser. Im Interview mit Bernd Franken vom Unternehmen Ecocalor und bvse-Referent Dr. Thomas Probst wollen wir klären, wo derzeit die Schwierigkeiten, Herausforderungen und Chancen der Altreifenverwertung liegen.
Für das Recycling von Reifen gibt es inzwischen breite Möglichkeiten: die thermische Nutzung, die werkstoffliche Verwertung und neu sind die rohstoffliche Verfahren – das ist doch sehr breit gestreut?
Bernd Franken: Ja, das ist richtig, dass es inzwischen viele Verwertungsoptionen gibt. Die Optionen Runderneuerung, Recycling, Pyrolyse, Ersatz- und Sekundärbrennstoffe – alle werden dringend benötigt. Gerade beim Recycling haben wir dann auch verschiedene Möglichkeiten, wie zerlegen in einzelne Fraktionen, das Aufbereiten der Wertstoffe sowie die Rückführung der Sekundärstoffe in die Kreislaufwirtschaft. Reifen und Gummi sind wertvolle Ressourcen, die der Kreislaufwirtschaft wieder zugeführt werden können.
Dr. Thomas Probst: Auch die neuen Optionen sollen hier genannt werden, wie beispielsweise die Verwendung von Gummigranulat, um mithilfe von elastischen Asphaltschichten eine deutliche Lärmminderung und längere Haltbarkeit der Asphaltdecken zu erzielen, oder auch die Pyrolyse zu festen, flüssigen und gasförmigen Produkten.
Also haben wir einerseits die etablierte Verwertung und andererseits neue Optionen – eine spannende Situation!
Bernd Franken: Reifen sind ein sehr spannender Materialverbund, ein Verbund aus hochwertigen Wertstoffen – das sind Chancen, die jetzt zu nutzen sind. Wir reden hier von einem Mengenaufkommen von fast 600.000 Tonnen Altreifen. Bitte vergessen Sie auch das Recycling von Gummiprodukten, wie zum Beispiel Türprofile, Förderbänder oder Schläuche, nicht. Auch hier haben wir in etwa einen gleich großen Mengenstrom mit beachtlichen Playern. Die beiden Stoffströme müssen zusammen gedacht werden, denn auch die Verwertungswege stimmen überein.
Trotzdem ist das Recycling von Reifen zurzeit ein Schwerpunkt bei den Diskussionen um Entsorgung und Recycling – warum?
Bernd Franken: Die Branche hat mit großen Problemen zu kämpfen. Es gibt einen großen Überschuss an Altreifen, die von den Verwertungsanlagen aufgenommen werden sollen, doch es wird immer schwieriger, geeignete Verwertungsmöglichkeiten zu finden. Uns macht aber auch der Verfall der Rohstoffpreise zu schaffen. Aufgrund des niedrigen Ölpreises wird es immer schwerer, für unsere Recyclate einen Markt zu finden.
Wie kann ein Weg aus diesem Dilemma gefunden werden?
Bernd Franken: Die gegenwärtige Situation ist und bleibt wohl auch auf Dauer angespannt. Es kommt also darauf an, die Rahmenbedingungen so zu ändern, dass die stoffliche und energetische Verwertung von Altreifen nicht unter die Räder kommt. Deshalb müssen wir unsere Interessen strategisch bündeln und uns aktiv und effektiv in die laufenden Diskussionen und Entscheidungsprozesse einbringen. Insbesondere die rechtlichen, technischen, politischen und wirtschaftlichen Aspekte des Reifenrecyclings werden bislang viel zu wenig beachtet. Deshalb benötigen wir auch einen starken Partner im Lobbying. Das Reifenrecycling muss positiv im Bewusstsein von Ministerien, Politik und Öffentlichkeit verankert sein.
Dr. Thomas Probst: Unser Ziel muss sein, das Reifenrecycling in Deutschland und auf europäischer Ebene Stakeholdern und der Öffentlichkeit gegenüber positiv zu kommunizieren. Dazu gehört deutlich zu machen, dass die stoffliche wie auch die energetische Verwertung der beiden Stoffströme nachhaltig ist.
Ist das der Grund zur Initiative, einen Ausschuss für das Recycling von Reifen und Gummi innerhalb des bvse zu gründen?
Bernd Franken: Die Gründungsinitiative für den bvse-Ausschuss erfolgte überraschenderweise fast zeitgleich von mehreren Seiten – hierzu haben sich Entsorger, Recycler und Initiativen zusammengefunden. Der bvse e.V. hat sich als fachlich kompetenter und durchsetzungsstarker Verband erwiesen, der Interessen mittelständischer Unternehmen vertritt. Da ist es folgerichtig, wenn sich die Reifenrecycler und gerne auch alle anderen Marktteilnehmer unter dem Dach des bvse organisieren.
Dr. Thomas Probst: Die Arbeit im Ausschuss und das Lobbying auf nationaler wie auch auf europäischer Ebene kann nur dann erfolgreich sein, wenn sich genügend Unternehmen der Branche engagieren und im neuzugründenden Ausschuss aktiv mitarbeiten. Wir brauchen Unternehmer, die bereit sind, uns bei Gesprächen in den Ministerien, das sind BMVI, BMWi und BMU, aktiv zu begleiten. Die Gründungsveranstaltung erfolgt am 26. November 2020 – für alle Interessierten – nicht nur die bvse-Unternehmen!
Vielen Dank für das Gespräch!
Quelle: bvse