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Atommüll: Das Ende von Gorleben markiert noch nicht das Ende des Konflikts

Die Bundesgesellschaft für Endlagerung (BGE) legte mit ihrem Zwischenbericht eine Liste möglicher Endlager-Standorte für hochradioaktiven Atommüll vor. Gorleben ist dort nicht mehr aufgelistet.

Die Suche nach einem sogenannten Endlager für Atommüll in Deutschland muss unter wirksamer Beteiligung der Öffentlichkeit erfolgen. Nach der gestrigen Veröffentlichung des BGE-Zwischenberichts, der 90 Regionen als mögliche Standorte für ein Atommülllager ausweist, hat die Atommüllkonferenz ihre Forderung nach völliger Transparenz und echter Mitwirkung erneuert:

„Die atompolitische Vergangenheit zeigt: Ohne Transparenz, ohne ‚Augenhöhe‘ und ohne Sicherstellung eines wissenschaftsbasierten Prozesses ist dieses Verfahren zum Scheitern verurteilt“, erklären die 50 unterzeichnenden Organisationen in einer Stellungnahme.

Die Atommüllkonferenz sieht durch die Rahmenbedingungen der nun folgenden Fachkonferenz Teilgebiete die Glaubwürdigkeit und Legitimität des gesamten Suchverfahrens zusätzlich belastet. Mit der Auftaktveranstaltung zur Fachkonferenz am 17./18. Oktober, organisiert durch das zuständige Bundesamt für die Sicherheit der nuklearen Entsorgung (BASE), soll die Öffentlichkeitsbeteiligung starten.

„Das muss ernst genommen werden“

Antje von Broock, Geschäftsführerin Politik und Kommunikation beim Bund für Umwelt und Naturschutz Deutschland (BUND): „Das Gesetz fordert die Beteiligung der Öffentlichkeit bei der Atomülllagersuche. Eine solche Mitwirkung braucht Zeit und bedarf Augenhöhe. Beides ist jedoch Mangelware. Zwar steht die Fachkonferenz Teilgebiete allen Interessierten offen, sie soll sich aber schon kommenden Juni wieder auflösen. Das ist viel zu kurz. Ein weiteres gravierendes Problem sind die vom BASE verweigerten finanziellen Mittel für unabhängige Expertisen. Wir wissen kaum, wie wir die Datenlage so überprüfen sollen. Die Vergangenheit zeigt, dass die Bevölkerung bei solch einschneidenden Prozessen einbezogen werden will. Das muss ernst genommen werden.“

Derzeit steht der hoch radioaktive Atommüll in höchst problematischen Zwischenlagern und stellt eine große Gefahr sowie starke Belastung für Mensch und Natur dar. Mit diesem äußerst gefährlichen Müll muss dringend ein Umgang gefunden werden, der aber nur in einem glaubwürdigen Prozess gelingen kann.

Neuer politischer Streit vorprogrammiert

Jochen Stay, Sprecher der Anti-Atom-Organisation „Ausgestrahlt“: „Die von der BGE angewandten Kriterien sind nicht von Wissenschaftler*innen festgelegt worden. Sie sind Ergebnis eines politischen Aushandlungsprozesses, bei dem es den Landesregierungen darum ging, das eigene Gebiet zu schützen. Herausgekommen ist dabei ein Kriterienkatalog, der große Interpretationsspielräume lässt. Neuer politischer Streit ist deshalb vorprogrammiert. Schon heute kündigen Bundestagsabgeordnete aus verschiedenen Bundesländern an, sich im Parlament Mehrheiten dafür organisieren zu wollen, um den eigenen Wahlkreis auszuschließen. Weil in diesem Verfahren im Rahmen der Legalplanung der Bundestag die Planungsentscheidungen in jeder Stufe trifft, gibt es für die Betroffenen keinen Rechtschutz.“

Drei Jahre hat die BGE den Zwischenbericht Teilgebiete von Fachleuten hinter verschlossenen Türen erarbeitet. Nun brauche es endlich vollumfänglich Transparenz. Dass ein relevanter Teil der geologischen Daten, die Grundlage zur Auswahl der Teilgebiete sind, geheim bleiben, sei keine Basis für Vertrauen. Alle Informationen müssten auf den Tisch und alle Entscheidungen nachprüfbar sein. Versuche politischer Einflussnahme seien bereits erkennbar. Dem müsse ein nachprüfbares wissenschaftliches Verfahren gegenüberstehen.

Auch das neue Suchverfahren hat eklatante Mängel

Martin Donat, Sprecher Bürgerinitiative Umweltschutz Lüchow-Dannenberg: „Die Entscheidung über Gorleben war lange überfällig. Wenn wir jetzt trotzdem nicht nur in Jubel ausbrechen, liegt es daran, dass auch das gegenwärtige Verfahren schon der Überarbeitung bedarf, kaum dass es gestartet ist. Es waren Fairness, Augenhöhe und Transparenz, die wir vier Jahrzehnte schmerzlich vermissten. Transparenz müssen die Behörden auch im gegenwärtigen Verfahren erst noch belegen, Augenhöhe müssen sich die Regionen erst noch erkämpfen und ob es am Ende fair zugeht, hängt im Wesentlichen daran, ob Rücksprünge und Lernschritte überhaupt möglich sein werden.“

Der Ausschluss des ungeeigneten Salzstocks von Gorleben nach 43 Jahren Widerstand sei ein großer Erfolg für alle, die sich an den Protesten beteiligt haben. Gleichzeitig sei die Geschichte von Gorleben eine Mahnung, wie ein Konflikt eskalieren kann, wenn es politische Einflussnahme, mangelnde Transparenz und fehlende Mitbestimmung gibt. Auch das neue Suchverfahren habe in diesen Bereichen eklatante Mängel. Das Ende von Gorleben markiere deshalb noch nicht das Ende des Konflikts um den Atommüll.

So kann Vertrauen in die Endlagersuche herstellen werden

Die Abkehr vom Standort Gorleben ist Heinz Smital, Atomexperte von Greenpeace, ein guter und entscheidender Schritt: „Er kann verloren gegangenes Vertrauen in das Verfahren zur Endlagersuche wieder herstellen. Erst jetzt kann eine echte Suche nach einem Endlager beginnen, die den alten Streit um pro und contra Gorleben hinter sich lässt. Letztlich aber gibt es für hochradioaktiven Atommüll keine gute, sondern nur schlechte und noch schlechtere Lösungen, daher wird es ein schwieriger und konfliktträchtiger Prozess bleiben.

Umso wichtiger ist es, die weitere Produktion von Atommüll in Deutschland umgehend zu beenden. Bei Urenco in Gronau fallen bei der Urananreicherung jährlich noch immer mehrere tausend  Tonnen an, die derzeit nach Russland exportiert werden. Das ist kein konsequenter Atomausstieg. Der ist aber dringend notwendig, damit die Suche nach einem Endlager eine Chance hat.“

Quelle: BUND und Greenpeace

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