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Müll im Meer: Zustandsbericht zur Nordsee zeigt Handlungsbedarf

Niedersachsens Umweltminister Olaf Lies hat den nationalen Bericht zum Zustand der Nordsee vorgestellt. Demnach sind in verschiedenen Bereichen Maßnahmen auf einem guten Weg. Um den geforderten „guten Zustand“ zu erreichen, bedarf es aber weiterer Anstrengungen.

„Unsere Nordsee ist ein einmaliges Ökosystem, das einen bedeutenden Teil zur biologischen Vielfalt Europas beiträgt“, sagte Lies. „Wir wollen ihre Lebensräume erhalten und schützen. Das ist für uns in Niedersachsen eine große Verantwortung und besonders für mich als Friese eine Herzensangelegenheit.“

Mit Blick auf das jüngste Frachterunglück der MSC ZOE, die in der letzten Woche mehr als 280 Container in der Nordsee verloren hatte, sprach sich der Minister dafür aus, Gefahrgutcontainer mit Peilsendern auszustatten, damit sie in einer solchen Situation schnell aufgefunden und gesichert werden können. Technisch sei dies längst möglich und kein erheblicher Kostenfaktor mehr. Niedersachsen will dazu eine Bundesratsinitiative starten.

Im Rahmen der gemeinsamen Arbeit des Bundes und der Küstenländer zur Verbesserung des Zustands der Nordsee beschreibt die aktuelle Bestandsaufnahme den „guten Umweltzustand“ anhand von elf Themenfeldern (Deskriptoren): Invasive Arten, Kommerzielle Fische und Schalentiere, Nährstoffe (Eutrophierung), Schadstoffe, Müll im Meer, Einleitung von Energie, Zustand von Fischen, Vögeln, Marinen Säugetieren, Marinen Lebensräumen, Ökosystemen und Lebensräume. Niedersachsen setzt sich besonders für die Verringerung von Belastungen durch Abfall, Nährstoffe und Schadstoffe ein.

Müll ist überall an der Küste vorhanden und am Meeresboden weit verbreitet

Pro 100 Meter Strandabschnitt sind bis zu 389 Müllteile zu finden, 88,6 Prozent davon sind aus Plastik. Nach der Bestandsaufnahme entspricht die Belastung der deutschen Nordseegewässer mit Müll den regionalen Befunden der OSPAR (Meeresschutzübereinkommen für den Nordostatlantik). Wesentliche Ergebnisse für die deutsche Nordsee sind: Müll am Strand, Meeresboden und in der Wassersäule belastet die deutschen Nordseegewässer und ist weit verbreitet. Der gute Umweltzustand ist nicht erreicht. Es gab im Bewertungszeitraum keine Anzeichen für eine Abnahme der Belastung. Etwa 90 Prozent des Mülls am Strand und Meeresboden der südlichen Nordsee bestehen aus Kunststoffen. 60 Prozent der untersuchten Eissturmvögel haben mehr als 0,1 Gramm Kunststoffe im Magen.

„Müll im Meer und an den Stränden ist ein globales Problem. Die beste Strategie ist es, Plastikmüll zu vermeiden; Verbraucher sollten zum Beispiel auf Einwegverpackungen verzichten und beim Getränkekauf auf Mehrwegsysteme setzen“, sagte Umweltminister Olaf Lies. Die Neufassung des Verpackungsgesetzes zum 1. Januar 2019 biete dafür eine gute Grundlage: „Es ist im Grund nicht sinnvoll, dass unsere gut gesammelten und getrennten Plastikabfälle in Länder gehen, die keine adäquaten Lösungen für die Wiederverwendung und das Recycling anbieten können. Hier müssen wir langfristige Lösungen finden.“

Der Minister nahm auch Bezug auf das das EU-Plastikmüllverbot, das unter anderem Strohhalme und Wattestäbchen in den Fokus rückt: „In Gesamteuropa sind gerade die kleinen Plastikabfälle ein großes Problem. Durch Wind und Wetter werden Plastikteile zu Mikroplastik. Es ist zu befürchten, dass dieses sich mittelfristig über die marine Nahrungskette auch in unserer Nahrung wiederfindet.“ Niedersachsen hat gemeinsam mit dem Bundesumweltministerium und dem Umweltbundesamt den Runden Tisch Meeresmüll eingerichtet. Für folgende Maßnahmen des Runden Tisches hat Niedersachsen die Federführung und/oder die Förderung übernommen:

  • Fishing for Litter (Pilotphase in Niedersachsen)
  • Empfehlung der AG seebasierte Einträge (SBE) zu Hafenauffangeinrichtungen für Schiffsabfälle und Ladungsrückstände
  • Pfand- und Rücknahmesysteme von ausgedienten Netzen und Fanggeräten
  • Verbesserung der Wiederauffindbarkeit von verlorenen Fischereinetzen und -geräten in Meeresgewässern
  • Marine Environmental Awareness Course an der Jade Hochschule, Fachbereich Seefahrt
  • Vermeidung von Meeresmüll aus der marinen Freizeitfischerei
  • Vermeidung von Meeresmüll durch kommunale Vorgaben (Förderung gemeinsam mit Bremen)

Der Runde Tisch Meeresmüll hat sich als aktives und breit angelegtes Netzwerk etabliert. Zahlreiche Maßnahmen gegen Meeresmüll wurden von allen Beteiligten eingebracht.

Eutrophierung/Nährstoffbelastung

Die übermäßige Belastung durch Nährstoffe ist weiterhin eines der größten ökologischen Probleme in der Nordsee. Die Anreicherung mit Nährstoffen und organischem Material über direkte Einleitungen, die Flüsse und die Luft führt unter anderem zu Algenblüten, Änderungen der Planktonzusammensetzung und Trübung des Wassers. In vergangenen Jahrzehnten konnten flussseitige Einträge insbesondere durch Kläranlagenausbau erheblich verringert werden. Die bisherigen Reduzierungserfolge sind jedoch nicht ausreichend, um die Umweltziele zu erreichen. Wesentliche Ergebnisse für die deutsche Nordsee sind:

  • Sechs Prozent der deutschen Nordseegewässer erreichen den guten Zustand hinsichtlich Eutrophierung, 55 Prozent sind weiterhin eutrophiert und für 39 Prozent fehlt eine abschließende Bewertung.
  • Die Einträge von Nährstoffen über Flüsse, Atmosphäre und andere Meeresgebiete sind zu hoch.
  • Die Nährstoffkonzentrationen in den Flussmündungen von Elbe, Ems, Weser und Eider überschreiten die Bewirtschaftungsziele für Gesamtstickstoff und -phosphor.
  • Die Landwirtschaft trug 2012 bis 2014 zu 71 Prozent der Stickstoff- und 44 Prozent der Phosphoreinträge bei.

Niedersachsen arbeitet an der Reduzierung der Nährstoffbelastung der Gewässer. Nach der Düngeverordnung des Bundes sind die Länder ermächtigt, zum Schutz der Gewässer vor Verunreinigungen durch Nitrat und Phosphat für bestimmte Gebiete abweichende, das heißt verschärfende Vorschriften zu erlassen. Diese werden aktuell vorbereitet. Gemeinsam mit der Landwirtschaft müssen nitratbelastete „rote“ Gebiete identifiziert, Maßnahmen zur Nährstoffreduktion ergriffen und Kontrollen durchgeführt werden. Düngevorgaben müssen strikt eingehalten und überprüft werden.

Um eine übermäßige Belastung der Gewässer mit Nährstoffen in Gebieten mit hoher Viehdichte zu vermeiden, wird der Transport von Wirtschaftsdünger aus „Überschussregionen“ in Gebiete mit vorrangiger Ackerbaunutzung praktiziert und durch ein Forschungsprogramm begleitet. Darüber hinaus unterstützt Niedersachsen die Erprobung und Errichtung von zentralen Aufbereitungs- und Behandlungsanlagen für Wirtschaftsdünger.

Niedersachsen führt außerdem die Maßnahme „Stärkung der Selbstreinigungskraft der Ästuare am Beispiel der Ems“ durch. Wesentliches Ziel ist die Reduzierung der Nährstoffeinträge im beziehungsweise durch das Ästuar selbst. Hierzu bedarf es zunächst einer wesentlichen Reduzierung der Trübung. Dieses erfolgt einerseits über die Flexible Tidesteuerung des Masterplan Ems und andererseits über die Ökologische Strategie zum Sedimentmanagement.

Olaf Lies: „Wir brauchen eine integrale Betrachtung der Sedimentproblematik. Bei der Unterhaltung unserer Fahrwasser und Häfen sollten wir nicht mehr darüber nachdenken, wie wir das anfallende Baggergut möglichst günstig loswerden. Vielmehr müssen wir angesichts des Klimawandels die Bereiche identifizieren, die das aus der Unterhaltung gewonnene Material in Zukunft benötigen. Wir können es zum Beispiel für Anpassungsmaßnahmen im Zusammenhang mit dem Anstieg des Meeresspiegels verwenden oder für die Unterstützung des Aufwuchses von Salzwiesen.“

Schadstoffe in der Meeresumwelt

Schadstoffe erreichen die Nordseegewässer über direkte Einleitungen, die Flüsse und die Luft sowie über direkte Quellen im Meer. Sie können sich in Sedimenten und in Meeresorganismen anreichern und erreichen nach wie vor umweltschädliche Konzentrationen. Viele der schwer abbaubaren, sich anreichernden und giftigen Stoffe werden noch Jahrzehnte nach ihrem Verbot in erheblichen Konzentrationen in der Meeresumwelt zu finden sein.

Bei der Bewertung der Schadstoffe in der Umwelt werden auch Verschmutzungen unter anderem durch Rohöl und ähnliche Verbindungen berücksichtigt. Die Paraffin-Klümpchen, die am Strand anlanden, seien den Menschen vor Ort bekannt – es müsse mehr dafür getan werden, dass weniger Paraffin ins Meer abgeleitet werde. Das Havariekommando stellt seit 2003 als gemeinsame Einrichtung des Bundes und der Küstenländer die zentrale Einsatzleitung für die Bewältigung von komplexen Schadenslagen sowie Schadstoffunfällen sicher. Im Alltagsbetrieb ist es mit der Vorsorgeplanung zur Verhinderung von Meeresverschmutzungen befasst. Das aktuelle MSRL-Maßnahmen-programm sieht als eine zentrale Maßnahme zur Verringerung von Schadstoffbelastungen in der Meeresumwelt Verbesserungen bei der Havarievorsorge und -bekämpfung vor.

Verbesserungen für das Unfallmanagement auf Nord- und Ostsee

Olaf Lies: „Das Unfall- und Notfallmanagement muss sich mit jeder Havarie erneut beweisen. Jeder Vorfall wird analysiert und stetige Verbesserungen werden aus den Geschehnissen abgeleitet. So haben wir nach der Havarie der Glory Amsterdam die landesinterne Rufbereitschaft überprüft und die Strukturen innerhalb des Havariekommandos analysiert. Der Bund hat bereits ein neues Notschleppkonzept eingeführt und dazu unter anderem ein zusätzliches Boarding-Team für die maritime Hilfeleistung am Standort Nordholz (LK Cuxhaven) stationiert. Im Übrigen sind auch die abschließenden Ermittlungsergebnisse der zuständigen Behörden noch auszuwerten.“

Link Bestandsaufnahme

Niedersachsens 11-Punkte-Programm zum Meeresschutz

Quelle: Niedersächsisches Ministerium für Umwelt, Energie, Bauen und Klimaschutz

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