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„Urban Mining & Recycling“: Aus Abfällen zur Wohneinheit als zukünftigem Materiallager

Dübendorf, St. Gallen, Thun / Schweiz — Immer knapper werdende Ressourcen und der daraus abgeleitete Wunsch, der heutigen Wegwerfmentalität den Rücken zu kehren, führen dazu, dass sich die Baubranche vermehrt Gedanken über die Mehrfachnutzung und Rezyklierbarkeit von Materialien sowie über alternative Konstruktionsmethoden machen muss. Ein neu entwickeltes Wohnmodul, das diesen Anforderungen entspricht, wurde gestern im schweizerischen Dübendorf feierlich eröffnet.

Die Wohneinheit „Urban Mining & Recycling“ setzt diese Ideen konsequent um: Ihre Strukturen und Materialien können nach dem Rückbau vollständig und sortenrein wieder- oder weiterverwendet, rezykliert oder kompostiert werden. Das Konzept dazu stammt von Werner Sobek mit Dirk E. Hebel und Felix Heisel. Werner Sobek, Leiter des Instituts für Leichtbau Entwerfen und Konstruieren der Universität Stuttgart, meint: „Das nach wie vor anhaltende Wachstum der Weltbevölkerung sowie zur Neige gehende Ressourcen erfordern dringend ein Umdenken im Bauwesen. Wir müssen künftig mit sehr viel weniger Materialien für sehr viel mehr Menschen bauen.“

Eine zentrale Rolle auf dem Weg zu einer nachhaltigeren Bauwirtschaft spielt deshalb der Kreislaufgedanke: „Die verwendeten Materialien werden nicht verbraucht und dann entsorgt; sie sind vielmehr für eine bestimmte Zeit aus ihrem Kreislauf entnommen und werden später wieder in diesen zurückgeführt“, erklärt Dirk E. Hebel das Konzept. In „Urban Mining & Recycling“ kommen dementsprechend verschiedenste, seriell verarbeitete Bauelemente zum Einsatz, deren unterschiedliche Materialien sortenrein und rückstandsfrei in ihre jeweiligen Stoffkreisläufe zurückgeführt werden können. Unter anderem werden neuartige Dämmplatten aus Pilz-Myzelium, innovative Recyclingsteine, wiederverwertete Isolationsmaterialien sowie geleaste Teppichböden verwendet.

Darüber hinaus können sämtliche Verbindungen im Tragwerk und grosse Teile der Fassade einfach rückgängig gemacht werden, weil die Materialien beispielsweise nicht verklebt, sondern gesteckt, verschränkt oder verschraubt sind. Das eingesetzte Holz wird zudem so verwendet, dass eine sonst übliche chemische Behandlung nicht nötig ist und damit die sortenreine Wiederverwertung oder eine rein biologische Kompostierung möglich wird. Zusätzlich zum Holz besteht die Einfassung der Fassade aus wiederverwendeten Kupferplatten, die zuvor das Dach eines Hotels in Österreich deckten, bzw. aus Platten, die aus eingeschmolzenem, wiederverwertetem Kupfer gefertigt wurden.

Die komplette Unit wurde im Werk vorfabriziert und innerhalb eines Tages ins Forschungsgebäude auf dem Empa-Campus in Dübendorf eingebaut. In Kürze werden zwei Studierende in die Dreizimmerwohnung einziehen und sich mit den beteiligten Forschern regelmässig über ihre Alltagserfahrungen austauschen. „Mit der Umsetzung und der Demonstration des konsequenten Kreislaufkonzepts in einem realen und bewohnten Bauprojekt, erhoffen wir uns natürlich, das wir ein Umdenken im Bauwesen anstossen können“, sagt Enrico Marchesi, verantwortlicher Innovation Manager im NEST, dem modularen Forschungs- und Innovationsgebäude von Empa und Eawag in Dübendorf, in das „Urban Mining & Recycling“ integriert wurde.

Enrico Marchesis Vision: „In Zukunft sollen Gebäude nicht nur Wohn- und Arbeitsraum bieten, sondern gleichzeitig auch als Materiallager für die nächste Generation dienen.“

Quelle: Empa

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